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Adamy, Rudolf
Kunstdenkmäler im Grossherzogthum Hessen: Inventarisirung und beschreibende Darstellung der Werke der Architektur, Plastik, Malerei und des Kunstgewerbes bis zum Schluss des XVIII. Jahrhunderts: Provinz Oberhessen: Kreis Friedberg — Darmstadt, 1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.18723#0197
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KREIS FRIED BERG





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Die Kirche zu Kaichen war eine Tochterkirche der Kieinkarbener, deren
Pieban den Gottesdienst daseibst zu versehen hatte. ')
Das Dorf seibst bietet des Künstierischen und Aiterthümiichen nur noch sehr
wenig. Die Kirche, ein Putzbau mit Eckquadern, trägt die Jahreszahl 1737 und
ist schiicht und einfach wie die meisten Kirchen der Gegend aus dieser Zeit ais
Saaibau errichtet, mit dreiseitigem Chor und flacher Decke versehen. Crosse
Rundbogenfenster erhellen das Innere. Nur der an der Westseite stehende, durch
neue Strebepfeiler gestützte, viereckige Thurm zeugt noch von einer älteren Kirche,
die einst an derselben Stelle gestanden. Er ist in drei Stockwerken aus Steinen
errichtet, hat ein spitzbogiges Portal und schlichte rechteckige Schlitzfensterchen.
Der dreistöckige mit Schiefer bekleidete Thurmaufsatz aus Holz hat Zwiebeldächer in
typischer Form und auf dem schmiedeeisernen Kreuz einen Hahn. Die ehemalige
Herrschaft der Burg Friedberg bezeugt noch ein Sandstein mit dem Doppeladler und den
Buchstaben B F darüber, welcher unter dem nordöstlichen Chorfenster eingemauert ist.
Die Kanzel aus Holz, welche gleichzeitig mit der Kirche ist, trägt auf dem Schall-
deckel die bekannte Darstellung eines Pelikans. Die Brüstungen der Emporen und der
Orgeltribüne haben Oelmalereien auf Holz von roher Ausführung, von denen jene Christus
und die Apostel, diese zwischen Moses und David die vier Evangelisten darstellen.
Ein romanischer Taufstein (Fig. 97) aus Lungenbasalt mit Rundbogenfries
liegt neben dem Chore auf dem Kirchhofe;
er hat oben einen Durchmesser von 0,99 m
und eine Höhe von 0,76 m. Auf einigen
älteren Grabsteinen, die in der Kirche liegen,
sind Schrift und Wappen abgetreten; ein
etwas besser erhaltener aus Sandstein ge-
hört der 1710 verstorbenen »Hochwohl-
gebornen Freyfreulein Freulein Maria Mar-
gretha Vogtin von und zu Hunolstein Erbfreulein zu zuzutz (?) Merxheim ud
Binau« an und ist mit der Freiherrnkrone und Ahnenwappen versehen.
Von den drei Glocken ist die grösste von Joh. Peter Bach in Windecken
1769, die zweitgrösste von demselben und seinem Sohne Georg 1776 und die
kleinste wieder von Joh. Peter Bach 1773 gegossen.
An dem durch seine Höhe sich auszeichnenden ehemaligen Rath-, jetzt Schul-
hause ist im Giebelfelde gleichfalls der Doppeladler der Burg Friedberg angebracht.
An der Hauptstrasse des Dorfes ist in der Mauer eines Hofes ein Wappen
aus Sandstein eingemauert, welches in dem einen Felde zwei sich kreuzende Stäbe
und in dem andern eine Maus in Relief zeigt mit den Buchstaben I. S. und M M.
Das Wappen ist offenbar ein sog. redendes.
Von dem Graben, der ehemals das Dorf umzog, sind noch Spuren vorhanden.
Die »Steinporte<3. stand im oberen Dorfe in der Richtung nach dem Freistuhl zu.
Eine Römerstrasse führt durch den nach Rendel zu gelegenen Wald. Römische
Münzen, sog. Heidenköpfe, sind in verschiedenen Gewannen gefunden worden, be-
sonders auf der Heide. Erwähnt werden solche des Nero, des Vespasian und Caracalla.



1) Würdtwein a. a. O. Bd. III. S. 118.
 
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