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Schäfer, Georg
Kunstdenkmäler im Grossherzogthum Hessen: Inventarisirung und beschreibende Darstellung der Werke der Architektur, Plastik, Malerei und des Kunstgewerbes bis zum Schluss des XVIII. Jahrhunderts: Provinz Starkenburg: Ehemaliger Kreis Wimpfen — Darmstadt, 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.18713#0224
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EHEMALIGER KREIS WIMPFEN

erfreute sich die Niederlassuug besonderer Förderung durch die Wohlthätigkcit der
Wormser Bischöfe Arnold, Adalbert und Buggo. — Nach längerer Zeit der Blüthe
gerieth das Stift durch Verwahrlosung in Verfall. Der Niedergang hatte gegen die
Mitte des 13. Jahrhunderts dahin geführt, dass die Genossenschaft verarmte und für
ihren Lebensunterhalt auf milde Gaben angewiesen war.

In Richard von Ditensheim, dem damaligen Dechanten, erstand dem
Stifte ein abermaliger Erneuerer, ecclesiac Wimpinensis renovator et äuctator,
wie J. F. Schannat ihn nennt. Die Bemühungen des verdienten Dechanten er-
streckten sich nicht nur auf die Ordnung der zerrüttelten Vermögensverhältnisse und
die Wiederherstellung der gelockerten Disciplin, sondern auch auf den glanzvollen
Umbau der Stiftskirche, wovon weiter unten ausführlich die Rede sein wird. — Der
gleichzeitige Propst, Werner von Hornecke, erwies sich ebenfalls als Förderer der
zu neuem Leben erstandenen Genossenschaft, indem er zu den zwölf ursprünglichen
Chorherrnstellen sechs weitere Präbenden stiftete. Ausser diesen achtzehn Kanonikaten
bestanden sechs sogenannte Sex- oder Semipraebendarien, von denen je zwei eine
Kanonikatspräbende bildeten. Die Anzahl der Vikarien betrug zwanzig. In der
Folge erschienen in der Stiftsordnung auch junge Edelleute als Domicellare mit der
Anwartschaft auf Chorherrnstellen. — Propst und Kanoniker mussten dem Adelstand
angehören, daher der Name Ritterstift. Der Dechant konnte ausnahmsweise
bürgerlicher Abkunft sein. Auch zu den Vikarstellen konnten Bürgerliche gelangen,
jedoch war ihre Aufnahme an legitime Geburt geknüpft. Nur Chorherrn hatten
Anspruch auf die Würden als Dechant, Kustos, Kantor, Scholaster und Grosskeller,
d. i. Güter- und Vermögensverwalter. — Im Zusammenhang hiermit sei hinsichtlich
der Würdenträger folgender Bestimmungen aus dem im Grossherzoglichen Haus- und
Staatsarchiv zu Darmstadt befindlichen Kopialbuch des Ritterstiftes gedacht: Requi-
sita ad primam possessionem: 1) testimonium baptismi, 2) primae tonsurae,
3) doctoratus pliilosopliici vel Ahnenprobe. Requisita zum Kapitidar - Eintritt:
testimonium subdiaconatus et biennii nisi Dr. *)

Anfänglich stand das Ritterstift unter dem unmittelbaren Protektorat des Reichs-
oberhauptes. Mehrere Kaiser und Könige begnadeten die Gründung mit Privilegien.
Rudolf I von Habsburg, Adolf von Nassau und Albrecht I nahmen sich des Stiftes
wiederholt in Schutzbriefen an. Beispielsweise sei erwähnt, dass König Rudolf
i. J. 1281 das Stift in seinen und des Reiches Schirm nahm und demselben die von
seinen Vorgängern verliehenen Rechte bestätigte. Im darauffolgenden Jahre befahl
Rudolf bei Vermeidung seiner Ungnade, dass Niemand die Chorherrn und das Stift
in der Ausübung ihrer Privilegien störe oder schädige. Während der ersten Jahr-
zehnte des 14. Säculums richteten Albrecht I, Heinrich VII, Ludwig der Baier und
der Gegenkönig Friedrich der Schöne ähnliche strenge Weisungen unmittelbar an
den Wimpfener Rath, mit dem Beifügen, die Chorherren seien im freien Genuss der
von ihnen und den Vicaren bewohnten Häuser in gleicher Weise zu belassen, wie
sie sich dieses Genusses zur Zeit Rudolf I zu erfreuen hatten. Diese Urkunden sind
für die Geschichte des Ritterstiftes schon um desswillen beachtenswerth, weil sie die

*) Notiz von Hrn. Pfr. Klein.
 
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