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ESSEN.
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mit dem Löwen. Sie schreiben, den Griffel in der Rechten, Marcus und Lucas in der Linken
Dintenfässer haltend, das Buch auf die Attribute gelehnt, sitzend auf architektonischen Sesseln;
derjenige des Marcus wird freilich durch das Gewand verhüllt. Die Geburt des Gottes-
kindes findet zu Unterst ihre naive Darstellung. Maria liegt in einem sorgfältig bedeckten
Bette, die Hände in antiker Weise zum Gebet erhoben, während eine Wehmutter die Decke
über ihr lüftet, gleichsam als wollte sie das Kindlein hervornehmen. Dieses liegt be-
reits in Windeln eingewickelt links neben dem Bette in der Krippe und scheint zu
schlafen, während Ochs und Esel sich ehrerbietig dabei einfinden. Den ganzen Vor-
gang sammt den beiden unteren Evangelisten schliesst oben querdurch eine wellen-
artige Andeutung ab, welche die Bodenfläche für die darüber befindliche Kreuzigung
bildet. Die Kreuzigung ist ziemlich im ältesten Typus gehalten. Christus bärtig, mit
offenen Augen, einem bis zu den Knieen reichenden Schurze, ohne Dornenkrone und
Nimbus, welcher überhaupt auf der ganzen Elfenbeinplatte nirgends erscheint; die Füsse
neben einander auf ein Stehbrett gestützt, und diese ohne Nägel. Die aus den Wolken
reichende Hand Gott Vaters hält über dem Haupt des Gekreuzigten an drei Schnüren die
Krone.54 In kleineren etwas carikirten Figuren an beiden Seiten die zwei Kriegsknechte,
der eine die Lanze in die Seite stechend, der andere auf einer Stange den Essigschwamm
emporreichend. In grösseren Figuren, je zwei an einer Seite, die äussersten ein Buch haltend,
wohl Maria und Johannes, die dem Kreuze zunächst, die eine in einem Kelche das Blut
auffangend und mit der Linken die Siegesfahne haltend, Analogien gemäss die strei-
tende Kirche55, während die andere, auf den Heiland deutend, eine Siegespalme tragend,
dann nur die triumphirende Kirche sein kann. Zu äusserst an beiden Seiten die Schacher,
lebend, mit offenen Augen und ebenfalls mit langem Schurz; sie, sind ans Kreuz gebunden,
die Hände auf dem Rücken.56 Der Ausdruck hat einige Andeutung ihres Wesens, indem der
bärtige rechts mild und ergeben, der links trotzig erscheint. Vier offenbar in ihrer Bedeu-
tung zusammengehörige Figuren schliessen den Vorgang der Kreuzigung ab. Sie entsteigen
mit lebhafter Geberde dem Boden. Zwei unter den Kreuzen der Schächer, zwei über den-
selben. Ueber dem verstockten Schächer entsteigt die Figur einem gefängnissartigen
Thurme, über dem reumüthigen taucht eine solche aus der Tiefe empor mit triumphirend
ausgebreiteten Armen. Die Schwierigkeit, der Deutung für diese vier Figuren liegt in der
Sonderling, welche eine derselben durch den Thurm in ihrer Bedeutung zu erhalten scheint,
Zwei Erklärungen liegen uns in ungezwungener Nähe. Entweder sind es im Anschluss an
die Tradition, wonach Golgatha an der Stelle des Paradieses lag, die Personificationen der
vier Ströme des letzteren, oder es sind die Todten, die um die dritte Stunde nach der
54. Aehnhche Darstellung: Oesterreich. Jahrb. II. 249 und 132; und Taf. XXXVII. 3 unseres Werkes,
dann Lohde: Dom v. Parenzo Taf. 4. und vielfach hei Ciampini: Mon. vet.
55. Wie bei einem Bamberger Elfenbein: Förster, Geschichte der Deutschen Kunst, I. p. 63. Ebenso auf
d. Gebetbuch d. h. Elisabeth V.Thüringen: Österreich. Jahrbuch B. II. p. 249; an der Lieb-
frauenkirche zu Trier, an einem Altar zu Soest, zu Hildesheim u. s. w.
56. Gebunden sind auch die Schacher hei Agincourf XXVII. 5.
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mit dem Löwen. Sie schreiben, den Griffel in der Rechten, Marcus und Lucas in der Linken
Dintenfässer haltend, das Buch auf die Attribute gelehnt, sitzend auf architektonischen Sesseln;
derjenige des Marcus wird freilich durch das Gewand verhüllt. Die Geburt des Gottes-
kindes findet zu Unterst ihre naive Darstellung. Maria liegt in einem sorgfältig bedeckten
Bette, die Hände in antiker Weise zum Gebet erhoben, während eine Wehmutter die Decke
über ihr lüftet, gleichsam als wollte sie das Kindlein hervornehmen. Dieses liegt be-
reits in Windeln eingewickelt links neben dem Bette in der Krippe und scheint zu
schlafen, während Ochs und Esel sich ehrerbietig dabei einfinden. Den ganzen Vor-
gang sammt den beiden unteren Evangelisten schliesst oben querdurch eine wellen-
artige Andeutung ab, welche die Bodenfläche für die darüber befindliche Kreuzigung
bildet. Die Kreuzigung ist ziemlich im ältesten Typus gehalten. Christus bärtig, mit
offenen Augen, einem bis zu den Knieen reichenden Schurze, ohne Dornenkrone und
Nimbus, welcher überhaupt auf der ganzen Elfenbeinplatte nirgends erscheint; die Füsse
neben einander auf ein Stehbrett gestützt, und diese ohne Nägel. Die aus den Wolken
reichende Hand Gott Vaters hält über dem Haupt des Gekreuzigten an drei Schnüren die
Krone.54 In kleineren etwas carikirten Figuren an beiden Seiten die zwei Kriegsknechte,
der eine die Lanze in die Seite stechend, der andere auf einer Stange den Essigschwamm
emporreichend. In grösseren Figuren, je zwei an einer Seite, die äussersten ein Buch haltend,
wohl Maria und Johannes, die dem Kreuze zunächst, die eine in einem Kelche das Blut
auffangend und mit der Linken die Siegesfahne haltend, Analogien gemäss die strei-
tende Kirche55, während die andere, auf den Heiland deutend, eine Siegespalme tragend,
dann nur die triumphirende Kirche sein kann. Zu äusserst an beiden Seiten die Schacher,
lebend, mit offenen Augen und ebenfalls mit langem Schurz; sie, sind ans Kreuz gebunden,
die Hände auf dem Rücken.56 Der Ausdruck hat einige Andeutung ihres Wesens, indem der
bärtige rechts mild und ergeben, der links trotzig erscheint. Vier offenbar in ihrer Bedeu-
tung zusammengehörige Figuren schliessen den Vorgang der Kreuzigung ab. Sie entsteigen
mit lebhafter Geberde dem Boden. Zwei unter den Kreuzen der Schächer, zwei über den-
selben. Ueber dem verstockten Schächer entsteigt die Figur einem gefängnissartigen
Thurme, über dem reumüthigen taucht eine solche aus der Tiefe empor mit triumphirend
ausgebreiteten Armen. Die Schwierigkeit, der Deutung für diese vier Figuren liegt in der
Sonderling, welche eine derselben durch den Thurm in ihrer Bedeutung zu erhalten scheint,
Zwei Erklärungen liegen uns in ungezwungener Nähe. Entweder sind es im Anschluss an
die Tradition, wonach Golgatha an der Stelle des Paradieses lag, die Personificationen der
vier Ströme des letzteren, oder es sind die Todten, die um die dritte Stunde nach der
54. Aehnhche Darstellung: Oesterreich. Jahrb. II. 249 und 132; und Taf. XXXVII. 3 unseres Werkes,
dann Lohde: Dom v. Parenzo Taf. 4. und vielfach hei Ciampini: Mon. vet.
55. Wie bei einem Bamberger Elfenbein: Förster, Geschichte der Deutschen Kunst, I. p. 63. Ebenso auf
d. Gebetbuch d. h. Elisabeth V.Thüringen: Österreich. Jahrbuch B. II. p. 249; an der Lieb-
frauenkirche zu Trier, an einem Altar zu Soest, zu Hildesheim u. s. w.
56. Gebunden sind auch die Schacher hei Agincourf XXVII. 5.