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Schumann, Paul; Klinger, Max; Kunstsalon Keller & Reiner
Max Klingers Beethoven — Leipzig: Verlag von E. A. Seemann, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.70308#0012
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Schächern; die Sonne sendet, aus dem Meer auftauchend, ihre Strahlen
über die Erde; Maria steht weinend neben dem Kreuz des Gottessohnes,
Magdalena sitzt in stummem Schmerz darunter und schaut zu dem ge-
rechten Schächer empor. Drunten aber taucht von einem Wassergeist auf
einer Muschel emporgehoben, Venus aus dem Meere herauf: zu spät, ihr
Reich ist zu Ende, der Apostel Johannes in gewaltig leidenschaftlicher
Bewegung weist sie ins Nichts zurück; vergeblich sucht sie mit erhobenen
Händen dem vernichtenden Fluche zu entgehen; eine Nereide (kenntlich an
den Fischschwanzbeinen) lauscht erschreckt den grimmen Worten des Apostels.
Eine große Stimmung geht durch diese Darstellung, die Klinger mit
Recht zum Teil nur skizzenhaft behandelt hat, weil es ihm eben nur
daraus ankam, den gewünschten Gedankengang anklingen zu lassen und die
Stimmung zu geben. Prachtvolle Gegensätze bilden die christlichen und
die heidnischen Frauen; wundervoll ist der wildbewegte Johannes, dessen
Bewegung an sich unmöglich erscheint; aber wie er dasteht mit dem ver-
zerrten Körper, dem fliegenden Gewand, dem gesträubten Haar, dem er-
regten Gesicht und der energisch wegweisenden Handbewegung — ist es
nicht, als wäre der ganze unversöhnliche fanatische Zorn des Christentums
über das heidnisch-heitere Griechentum in ihm verkörpert? Feierlich ernst
liegt Golgatha über der Szene des weggewiesenen untergehenden Heiden-
tums. Eine neue Sonne geht für die Erde auf. Offenbar ist hier ein
ähnlicher Gedankengang dargestellt wie in Max Klingers mächtigem Ge-
mälde Christus im Olymp.
Beethoven aber ist für Klinger der Heros, in dessen Schaffen sich
hellenische und christliche Weltanschauung, Weltentsagung und stumpfes
Dahinleben, Jagen nach Genuß und Innerlichkeit, aphrodisische Lust und

kann, der auf einer Anhöhe tanzt). Den Halt bekam der Körper des Gekreuzigten
(wie in den Ktingerschcn Darstellungen) durch einen Pflock, auf dem er ritt; daher
die Redensart: aufs Kreuz setzen. Die Höhe der Kreuze war ganz verschieden.
Oft müssen sich diese Marterpfähle so wenig über den Erdboden erhoben haben,
daß die Gekreuzigten nicht hingen, sondern mit den Füßen auf der Erde
standen, denn es wird hier und da bei den alten Schriftstellern (Apnlejus, Catull,
Martial) erzählt, daß die Gekreuzigten von den Hunden und Wölfen zerfleischt
wurden. Christi Kreuz scheint von mäßiger Höhe gewesen zu sein. Das Tritt-
brettchen unter den Füßen des Gehenkten kam in Wirklichkeit nicht vor, sondern
ist als eine Erfindung der Kirchenväter zu erachten.
 
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