Entwurf: August Unger. Aus-
führg.: G.Heinersdorff, Berlin
DIE GLASMALEREI
Oft genug ist das Wort der ärgste
Verführer und Irrtumsstifter.
Rund und adrett erscheint die
Vokabel nur einer einzigen,
selbstverständlichen Deutung zugänglich;
in Wirklichkeit erfasst sie vielleicht gar
nichts von demWesentlichen eines Dinges
oder einesV organges, wird ihm im Gegen-
teil zur Karikatur. So stand es lange um
die Vokabel des Kunstgewerbes, so steht
es noch heute um die der Glasmalerei.
Kunstgewerbe — die Leute verstanden
es Silbe für Silbe und meinten, das sei:
Gewerbe plus Kunst. Danach verfuhren
sie auch und addierten dem fertigen und
brauchbaren Gegenstand etliche Brocken
künstlerischen Überflusses. Wie solches
Missverständnis zum Verfall führte, ist
bekannt genug. Auch wissen wir alle,
dass erst die Befreiung von der Vokabel
das Spezifikum des kunstgewerblichen
Produktionskomplexeserkennen und sol-
che Erkenntnis sich bewähren liess. Nun
endlich weiss man, dass das Kunstgewerbe
mit Kunst so gut wie nichts zu tun hat,
desto mehr aber mit dem Problem der
Qualitätsarbeit, mit der richtigen Käu-
fergesinnung und mit den beweglichen
Fragen des Geschmackes. Ähnlich ver-
lief das verbale Schicksal der Glas-
malerei. Man meinte getreu dem üblichen
Sprachgebrauch, dass es sich dabei um
eine Malerei auf Glas handele. Und da
man im übrigen eben diese Glasmalerei
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