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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Vom Delegiertentag der Allgemeinen Deutschen Kunstgenossenschaft
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0423
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vom Delegiertentaq der Allgeineinen Dcutschen Auiistgenossenschaft

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allen bcrechtigten Anspriichen unserer Aussteller die gebnhrende
Berücksichtignng zu teil wird, sodann die eventuelle Anregung
zur Beteiligung und endlich die wiirdige Jnszeuierung der
deutschen Abteilungen bildet heute in unserer Zeit der Aus-
stellungen eine der wichtigsten dlufgaben des jeweiligen Haupt-
vorstandes,
So ist es Mnnchen, dessen diesnialige Vorortschaft mit
dem Jahr 1887 zu Eude geht, neuerdings gelungen, voin Neich die
Bewilligung einer alljnhrlichen Eiusetniug der Suinine von
20,000 M. in den Neichshaushaltsetat zum Ziveck der Förderung
deutscher Kunstabteilungen bei auslnndischen AuSstellungen zn
erlangen. Eine höchst wertvolle Errnngenschaft, da die Regie-
rungen aller anderen in Betracht koinineiiden Staateu schou lange
darin wctteifern, ihre Kunstabteilungen, wenn auch niit bedeu-
tenden Opfern, stets auss reichste und glanzeudste zu gestalten
und dem ausstellenden Künstler hiedurch ganz wesentliche mate-
rielle Erleichternngen geboten werden.
Jede größere Kunststadt Dentschlands überniinmt der 8!eihe
nach den Borort auf 3 Jahre und fungiert die Borstandschast
des daselbst besteheuden lokalen Küustleiuerbands (Genossenschaft)
während dieser Zeitdauer als Hauptvorstand der Allg. D. K.-G.
So ging der Vorort niit Beginn das Jahres 1885 an
München über und wird mit dein Jahre 1888 von Wien über-
noninien werden.
Den Statuten geniäß, hat der jedesnialige Hauptvorstand
während der Dauer seiner Ilmtsführung einen Delegiertentag, d. h.
eine Versainniluug bevollinächtigter Vertreter säintlicher dentscher
Kunststädte, einzuberufen. Aufgabe und Zweck dieser Versainni-
lung bildet vor alleni die Entgegennahme uud Prüfung der
Rechnungsablage über die Kassenführung, Beratung und Beschluß-
fassung über eingelaufene Auträge und gegenseitiger Meinungs-
austansch über wichtige künstlerische Tagessragen.
Vom Münchener Hauptvorstand tvar nnn für den 30. Juni
und 1. Juli dieses Jahres die Delegierten-Versammlung anberaumt
worden nnd beinahe sämtliche Einzelkorporationen der deutschen
Knnststädte hatten ihre Beteiligung zugesagt.
Am Abend des 29. Juni sand der Empfaug der Gäste in
den schönen Räunien des Kunstgetverbehauses statt, und bald
hatten sich inmitten der Müuchener Kollegen die Bertreter von
Berlin, Wien, Düsseldorf, Dresden, Weimar und den übrigen
Städten zu eineni gemütlichen tete-L-tete niedergelassen. Anßer der
Münchener Vorstandschaft, die offiziell erschienen war, hatte sich
bald noch ciu weiteres Häufleiu von Müncheneni eingefunden,
galt es unter den werten Gästen ja so manchem lieben, alten
Bekannten die Hand zu schütteln, oder einen längst durch seine
Werke berühmten Meister zum erstenmale persönlich zu be-
grüßen.
So lvar als einer der Vertreter Berlins Direktor A. von
Werner erschienen und wurde allerseits aufs wärmste willkommen
geheißen.
Erst spät trennte nian sich in dem Bewußtsein, sür die am
nndern Tag beginnende Arbeit bereits in angenehmster Weise
gegenseitige perjönliche F-ühlung gewvnnen zu haben.
Aus den Verhandlungen selbst, die die Vormittagsstunden
der beideu folgeuden Tage sür sich in Auspruch nahmen und
jedesmal von einem kleinen Morgenimbiß aufs angenehmste
nnterbrochen wurden, sei hier nur dasjenige hervorgehoben, was
allgemeines Jnteresse bieten dürfte.
Vor alleni feierte der Vorsitzende, Maler Eugen Stieler in
(München) das Andenken der beiden in den letzten Jahren dahin-
geschiedenen hochverdicnten Meister der Kunst, Ludwig Richter
und Karl v. Piloty, deren Verlust weit über Deutschlands
Grenzen hinaus aufs schmerzlichste empfunden ivurde.
Bei der Rechnungsablage tvurde die Mitteilung von der
oben schon erwähnteu Einsetzung der Summe von M. 20,000
für Kunst-Ausstellungszwecke in das alljährliche Budget des Reichs
mit allgemeiner Befriedigung aufgenommen.
Eine Anfrage wegen der möglicheu Schritte, um die Auf-
hebung des auf der deutschen Knustproduktion seit mehreren Jahren
so schwer lastendeu ameriknnischen Kunstzolles zu erlangen^mußte
dahin beantwortet werden, daß die bisher gethanen «chritte
fruchtlos geblieben, und vorderhand das Beste sei: abwarten.
Dem schon mehrmals beim dortigen Parlament eingebrachten
Nntrag auf Aufhebung dieses Zolles stehe bis jetzt eine unzu-
gängliche Majorität gegenüber. Der Versnch, die deutsche Rcichs-
Negierung zu veranlassen, mit der dortigen Regierung über
diese Angelegenheit Verhandlungen zu pflegen, köune nicht

empfohlen wcrden. Vielleicht könnte inau sich seinerzeit einem
gleichzeitigen Vorgehen nller hiebei interessierten europäischen
Staaten anschließen.
Eine lebhafte Diskussion rief die eventuelle Gründuiig
einer „Deutscheu Akademie" in Nom. wozu die Anregung von
der Mitte der Münchener Knnstgenossciischaft ansgegangcn war,
hervor.
Die Benennnng ist der frnnzösischen Einrichtung der
r.Vcackemie si-anxaiser in Rom, entlchnt. Letztcre Jnstilutiou
verfolgt den Zweck, jüngeren srnnzösischcn Künstlern, die durch
eine ansgezeichnetc Leistuug sich den sog. rlli-ix cke Kcune- er-
worben haben, den durch dicses Staatsstipendium gebvtenen und
bedingteli Aufenthalt in Rom in jeder wünschenswerten Weise
angenehm zu gestalten.
Auch andere Staatcn, ivie Spanien ie., besitzen in Rom tthu-
liche Eiurichtungen.
iiber die Anssührung dieseS Gedaukeus, der im Priuzip all-
seitig init großer Shmpathie ausgenommen worden war, gingen
die Ilnsichten der cinzelnen Vertretcr, wie vorauszusehen war,
tvcit auseinander.
Sollte die angcstrebtc Einiichtung in Rom ausschließlich
Stipendialen zu gute kommen oder überhaupt einen Mittelpunkt
fiir das deutsche Knnstleben daselbst bildcn? Eine der ersteren
Auffassnng entsprechende Einrichtung besteht dort bereits für
preußische Staatsangehörige, wie vvn den Bertretern BerlinS
mitgeteilt wurde. Es lvurde die Frage aufgcworfen, was für
einer Oberbehörde die Anstalt zu unterstellen wäre. Jm zentra-
listischen Frankreich gestaltcten sich alle derartigen Dinge weit
einfacher als bei uns. Schließlich wurde noch hervorgehoben,
daß hentzntage der Einfluß Jtalieus uud seiner Kunstschätze auf
den modernen Künstler bei weitem nicht mehr so ausschlaggebcnd
sei, wie früher.
Jmmerhin wurde beschlossen, die eiiizelnen Lokal-Korpo-
rationen auzuweiseii, die ?lnregung einer genauen Erwägung zu
untcrwerfen und ihren betreffenden Negierungen möglichst ein-
gehendes Material und praktischc Vorschläge an die Hand zu
geben, um es denselben zu ermöglichen, des weiteren mit dein
Rcich über die Ausfllhrbarkeit des Gedankens in sruchtbringende
Unterhandlungen treten zu können.
Auch die Stellungnahme der Allg. D. K.-G. zur nächstjäh-
rigen Wiener Jnternatioiialen Kilnstausstelluiig gab Vcranlassung
zu eingehenden Erörterungen.
Da, wie schon erwähnt, gcrade mit nächstem Jahr Wien
Vorort werden soll, so wird die Vorstandschaft des dvrt-
igen Künstler-Verbandes bei dieser wichtigen Beranlassung zu-
gleich auch die Hauptvorstandschaft der Allg. D. K.-G. bilden.
Jn der dlufgabe speziell österreichische und speziell deutsche Jnter-
essen zugleich vertreteu zu müssen, die den politisch eben doch von
Deutschland getrennten Wienern hierans erwächst, wurden große
Schwierigkeiten erblickt. Auch die repräsentative Seite der Haupt-
vorstands-F-unktionen, wenn dieselbeu vöu einer im Auslande
befindlichen Kvrporation auszugehen haben, stieß auf eniste Be-
denken.
Schließlich wurde es der oft erprobteu Loyaliüt der Wiener
Kollegen überlassen, bei etwa sich ergebenden Schwierigkeiteu das
Richtige zu treffen.
Eine wcitere Arbeit des Delegiertentages, der man nnr den
besten Erfolg für alle davou berührten Kreise wünschen kann, bildete
die Revision des Statuts für das Versahren bei öffentlichen Kon-
kurrenz-Ausschreibungeii. ES sollten hierdurch feste Ikormen ge-
schaffen werden, nach welchen bei dergleichen Veranlassungen
zu verfahren, allen in Betracht kvmmenden Behörden empfohlen
wird, wie denn auch vvn seite der bayerischen Staatsregieriing
in letzter Zeit stets mit Berücksichtignng der Grundsätze dieses
Statuts vorgegangen wnrde.
Der alten Misere, daß so mancher Künstler den beredten
Zusicherungen sachlicher Behandlung vertrauend, seine Werke einer
Ausstelluug überlüßt, von ivelcher er dieselben in oft trostlosestem
Zustand zurückgesandt erhält, wurde gleickifalls vom Delegiertentag
gedacht und beschlossen, es sollen von allen Künstlervereinigungen
Beschwerdebiicher aufgelegt werden, um derlei Rachlässigkeiten
festzustellen und in geeigneter Weise zur Kenntnis aller Kollegen
zu bringen.
Dies ist etwa das Hauptsächlichste dcr Arbeiten und F-ragen,
die den Delegiertentag beschäftigten.
Aber neben den ernsten Beratungen um die Wohlfahrt der
deutschen Kunst kam auch der jedem Deutschen tief eingepflanzte
Trieb zu heitercr Geselligkeit zu seinem vollen Necht.
 
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