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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 3.1887-1888

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Pecht, Friedrich: Die Münchener Ausstellungen von 1888, [3]: die deutsche Historienmalerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.9418#0381
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von Friedrich pecht

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Tin Ehrenhandel, von Joseph Mu lisch

mehr die Börse als die Philosophie zu lieben pflegen, auch von der letzteren Seite her kennen in Samuel
Hirschenbergs, oder wie er sich ganz charakteristisch slavisiert hat: Hirszenbergs, Uriel Acosta, der den
Knaben Spinoza in die Geheimnisse des Talmud einführt. Dieser hat das dicke Buch mit frisch gesammelten
Feldblumen überdeckt; daß er es einst noch ganz anders erschüttern werde, muß man dem übrigens sehr ver-
dienstlichen Bilde freilich blos glauben. Um so besser ist der gedankenschwere Ernst im „Uriel Acosta" gelungen.
Macht man die Wendung von mürrischen Philosophen zu hübschen jungen Mädchen selbst dann mit Behagen,
wenn man beide Teile blos in Öl gemalt sieht, so erleichtert uns diesen weiten Weg Fräulein Sch epp in Kassel
besonders glücklich, da ihre „Malerin" die in dieser Klasse nicht allzu häufige Eigenschaft hat, sehr hübsch zu
sein und zugleich das vorteilhafteste Zeugnis vom Farbensinn der Verfasserin abzulegen. Ganz aufs Gemüt —
glücklicherweise nicht ohne Fleisch — spielen sich Pötzelbergers zwei Damen hinaus, von denen die eine wehmütig
den herbstlich fallenden Blättern im Park zusieht, während die andere bereits hoffnnngsfreudig die Prunkstücke
und Juwelen für den nächsten Ball aus der Truhe heraussucht, beidemale nicht ohne durch die Lieblichkeit ihres
Wesens entschieden anzuziehen. Das gelingt auch der sich mit sichtlicher Befriedigung im Spiegel betrachtenden
Dame Czachorskis und dem klavierspielenden Backfisch des Fräulein Klara Walther, letzterem umso besser,
als wir ihn bloß zu sehen, nicht auch zu hören brauchen. Ja selbst die beiden echten Berlinerinnen Paulsens
amüsieren uns, die sich mit so tiefem Interesse Pietschs Beschreibung des gestrigen Balles vorlesen, während
Henselers Schöne sich unter die Birken des Grunewalds geflüchtet hat. Nachdem wir dann noch bei Hofers
hübscher Pariserin die Charfreitagsandacht leider fastend verbracht und Falckenbergs scharmanter Sünderin
Beichte gehört, wollen wir dann von den „Herrschaften" Abschied nehmen, um zu den unseren Malern offenbar
noch viel sympathischeren Kathis und Rests überzugehen, ohne uns weiter bei Habermanns unseren Lesern
schon bekanntem „Sorgenkind" aufzuhalten, obwohl er ihm jetzt einen viel besseren alten Kranken folgen ließ,
der, selber schlaflos, am frühen Morgen die ihn pflegende barmherzige Schwester fest eingeschlafen sieht, was
jedenfalls angenehmer zu sehen als zu erleben ist.

Vle Nunst für Alle III

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