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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 17.1902

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Tschudi, Hugo von: Die Werke Arnold Böcklins (gest. 16. Januar 1901) in der Kgl. Nationalgalerie zu Berlin, [1]: (zur ersten Wiederkehr seines Todestages)
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https://doi.org/10.11588/diglit.12080#0215

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-b-5^> DIE WERKE ARNOLD BÖCKLINS IN DER

Staat hat kein Talent dazu. Wahrhaftig ge-
wählte, charaktervolle Sammlungen moderner
Gemälde finden sich nur in den Händen von
Privaten. Der Schöpfung einer guten öffent-
lichen Sammlung stehen fast unüberwindliche
Hindernisse entgegen. Dass Böcklin die macht-
vollste Persönlichkeit der deutschen Kunst
des neunzehnten Jahrhunderts ist, scheint
heute ein kaum bezweifelter Glaubenssatz,
wenigstens dürfte es schwerlich einen Galerie-
direktor geben, der anderer Meinung wäre.
Wo aber findet sich die Galerie, die an Zahl
und Bedeutung der Werke Böcklins sich mit
Privat-Sammlungen wie derjenigen des Grafen
Schack, des Freiherrn von Heyl oder der von
Simrock messen könnte. Jetzt freilich beginnt
man hastig die klaffende Lücke zu stopfen,
aber nun ist auch mit den grössten Mitteln
nicht mehr zu erreichen, was früher um ein
billiges zu haben gewesen wäre. Summen
werden dem Kunsthandel geopfert, mit deren
zehntem Teil man zur rechten Zeit einem
grossen Künstler die Freiheit seines Schaffens
hätte sichern können. Gewiss gehörte ein
solches Mäcenatentum zu den Aufgaben einer
staatlichen Sammlung, die sich dem Geschmack
des grossen Publikums überlegen zeigen und
die Führung übernehmen müsste, statt müh-
sam der aufdämmernden besseren Erkenntnis
nachzufolgen. Und den Vorteil hätte nicht


ARNOLD BÖCKLIN « BILDNIS DES KAMMER-
SÄNGERS WALLENRE1TER
(Das Original in der Kgl. Nationalgalerie in Berlin)

der Künstler allein, der Staat selbst würde
dabei trefflich fahren. Er würde nicht nur
verhältnismässig billig kaufen, er hätte vor
allem auch die Auswahl. Im Falle Böcklin
wäre es ein leichtes gewesen, charakteristische
Werke aus allen Perioden dieser gottbe-
gnadeten Künstlerlaufbahn zu erwerben und
der Nation einen Schatz von unvergleichlichem
Wert zu stiften. Denn mehr als bei einem
anderen Künstler hätte sich der Wert einer
solchen Sammlung nicht nur aus der Summe
des Wertes der einzelnen Werke zusammen-
gesetzt. Noch ein neuer, grosser Wertfaktor,
der entscheidende für die Würdigung des
Meisters, wäre hinzugetreten. Einem ein-
zelnen Bilde Böcklins gegenüber den richtigen
Standpunkt zu gewinnen, fällt schwer, es be-
hält vielfach etwas Rätselhaftes, Willkürliches.
Nur auf seine malerischen Qualitäten hin an-
gesehen, wird es leicht und gerade von fein-
sinnigen Beurteilern unterschätzt. Wodurch
Böcklin bezwingt, das ist seine künstlerische
Persönlichkeit, die sich in ihrer ganzen Kraft
und ihrem Reichtum in einem Werk, und
wäre es auch sein bestes, nicht enthüllt. Um
sie darin wiederzufinden, muss man sie in
der Mannigfaltigkeit ihres Schaffens kennen
gelernt haben. Dann findet das Rätselvolle
seine Aufklärung, das scheinbar Willkürliche
gewinnt eine tiefere Gesetzmässigkeit und
angesichts der übermächtigen Individualität
verlieren die Bedenken gegen die malerische
Darstellungsform an Gewicht. Zum Be-
wusstsein dieser herrlichen, aus dem Vollen
schöpfenden Gestaltungskraft zu kommen,
wäre für jeden eine Bereicherung gewesen.
Nebenbei wäre noch ein Gewinn abgefallen
für die wissenschaftliche Erkenntnis von der
Entwicklung Böcklins, der besonderen Art
seiner Kunst und seinem Verhältnis zu den
künstlerischen Tendenzen der Zeit, einer Er-
kenntnis, die jetzt mühsam aus weit aus-
einander liegendem Material zusammenzu-
lesen, oder im Flug aus zeitlich beschränkten
Sonderausstellungen zu gewinnen ist.
Auch das Basler Museum, von allen Böcklin-
Sammlungen die kompletteste, bietet diesen
Ueberblick doch nur in sehr unzureichendem
Masse. Gar nicht bietet ihn die numerisch
stärkste, die Schackgalerie, die sich ganz auf
die Frühzeit beschränkt. Und beinahe eben-
sowenig die an dritter Stelle stehende Ber-
liner Nationalgalerie. Noch bis vor kurzem
zeigte sie nur Bilder aus den letzten Mün-
chenerjahren und aus dem Florentiner Aufent-
halt, also von 1872 bis etwa 1884.
Erst durch die hochherzige Schenkung der
Felix Koenigsschen Erben kam ein Gemälde

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