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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 23.1907-1908

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Von Ausstellungen und Sammlungen - Neue Denkmäler und Brunnen - Personal- u. Atelier-Nachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.12504#0109

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^=4=g> VON AUSSTELLUNGEN UND SAMMLUNGEN

künstlerischen Zwanges. John Tweed und Charles
Ricketts haben sich darin versucht; der letztere
wirkt kraftvoller in zwei Oelskizzen i Kreuzabnahme
und >Don Juan und der Komtur<, wo er mehr pla-
stische Qualitäten entwickelt, als in seinen Skulpturen.

In der graphischen Abteilung bezeichnen die Höhen-
marke wiederum Zeichnungen von Whistler; un-
scheinbare aber eminent feine, tonige Studien land-
schaftlichen und figürlichen Inhalts. Daneben will so
recht nichts aufkommen. Zu erwähnen wäre: Edmund
J. Sullivan wegen seiner ausgezeichneten Beherr-
schung der Flächenfüllung in Schwarzweiß, Allen
W. Seabv, der sich erfolgreich in der Technik des
japanischen Farbenholzschnittes versucht — allein
noch fehlt der unwiderstehliche Esprit der Pinsel-
führung. Gute Tonwirkung spricht aus den Blättern
von Joseph Pennel; groß und kräftig, wenn auch
zu fleckig, zeigen sich die Kohleskizzen von Frank
Mura. Zum Schluß sei zweier Blätter von Sidney
Lee Erwähnung getan, besonders der prachtvoll groß
gesehenen und breit radierten Kirchenruine.

Die Kgl. Akademie der Künste hat sich einer
Ehrenpflicht entledigt, indem sie das Lebenswerk
eines ihrer früheren Mitglieder zur Ausstellung
brachte. Karl Gussow (geb. 1843 in Havelberg,
gest. 27. März 1907 in Neu-Pasing bei München) war
von 1875—80 an der hiesigen Hochschule tätig und
erst 1892 vertauschte er Berlin mit München. Kein
Himmelstürmer, aber ein ernsthaft Wollender. Beim
Hängen der Bilder ist man so historisch wie mög-
lich vorgegangen und hat in drei Sälen die frühere,
mittlere und letzte Zeit unterschieden. Seine frühe-
ren Bilder sind etwas flau und unpersönlich, er
haftet stark am Modell, das er erst später überwinden

lernt. Bei Frauenporträts hat er unbedingt mehr
Erfolg zu verzeichnen gehabt als bei Männerköpfen,
die seiner mehr liebenswürdigen als bohrenden Art
nicht so gut lagen. Die Landschaft lag ihm nicht.
Wenig glücklich ist auch der Vorwurf für seine letzte
große unvollendete Arbeit »DasWeib und die Künst-
ler« — eine Allegorie, deren lebendige Ausschöpfung
ihm nicht gegeben war. Das Problem des liegenden
weiblichen Körpers hat er noch einmal in einer
1894 entstandenen Kleopatra-Skizze behandelt, wo
er eminent farbig wirkt. Während er hier als Kolo-
rist sich über sich erhebt, zeigt die Studie psycho-
logisch ganz ihn selbst: kein dramatischer Furor,
keine tragische Gebärde; ein ruhiges Sein, eine
leis lächelnde Gebärde. So ist sein ganzes Schaffen
gewesen: nicht gewaltig, nicht packend, aber auch
weder öde noch verletzend.

Das zehnjährige Bestehen der Firma Keller &
Reiner ist der Anlaß gewesen für eine Ausstellung
von Bildnissen bekannter Berliner Persönlichkeiten.
Eine derartige, vom Stoffe beeinflußte Zusammen-
stellung hat natürlich auf künstlerischem Gebiete
zu einer großen Ungleichmäßigkeit führen müssen.
Die Mehrzahl der Bilder stammt erklärlicherweise
aus den Ateliers, die in der Gesellschaft in Mode
waren oder sind; einige gute alte Bekannte, wenige
neue tauchen auf.

Paul Cassirer begrüßt uns mit einer Kollektion
Aquarelle von Paul Cezanne. Alle Achtung vor
diesen halbfertigen Skizzen, die ein sicheres Auge
fürFarbenvaleurs und Kompositionstalent offenbaren,
die aber ihre einzige Daseinsberechtigung in einer
öffentlichen Ausstellung aus dem Umstände schöpfen,
daß der Meister gestorben ist. Von Edvard AIunch
 
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