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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 23.1907-1908

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Die Beuroner Kunstschule
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https://doi.org/10.11588/diglit.12504#0277

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^s£> DIE BEURONER KUNSTSCHULE <^J-^

geschah. Von vornherein rechnete Lenz für zu schätzen. Er wich kein Strichlein davon
die Bemalung seines ersten größeren Bau- ab, ja mit der Lupe betrachtete er sie!
Werkes auf seinen Freund Wüger und als die Als die Kartons gezeichnet, reisten Lenz
Kapelle dastand, gingen beide zusammen nach und Wüger, begleitet von einem Schüler des
Rom, um die Kartons zu machen. Es war letzteren, Fridolin Steiner, nach Beuron und
im Jahre 1870. die Arbeit begann. Sie ließen einen „erprob-

Wüger war, wie schon oben hervorgehoben, ten Freskomaler" aus München kommen, und
mehr Zeichner als Maler. Was er liebte, war, dieser zeigte, wie man „al Fresco" male,
tagelang herumzuprobieren an einer Kom- Aber sie sahen bald, daß auf die Art, wie
Position, bis das Papier schwarz geworden, dieser Fresko malte, nichts Schönes zu er-
um dann wunderbar fein eine wohldurchdachte reichen sei und so dankten sie herzlich und
Kontur daraus zu pausen. Oder er machte schlugen, als er gegangen, alles Gemachte
dieselbe Komposition zehn-, zwanzigmal. Ging wieder von der Wand. Lenz riet nun, einfach
es an die Ausführung, so kannte seine Gründ- auf den Mörtel zu aquarellieren und so kam
lichkeit keine Grenzen. Alle Figuren wurden man zu guten Resultaten. Die Mauruskapelle
vom Skelett an studiert. Falten zeichnen wurde gemalt und — viele schalten,
konnte er wie keiner. Und so wurde er der Aber die Fürstin und Abt Maurus Wolter
berufene Mitarbeiter des gewiß genialeren, von Beuron waren zufrieden. Lenz, Wüger
aber technisch nicht so ausgebildeten Lenz, und sein Schüler erlebten einen schönen Tag.
dem das Geschick keinen reichen Vater wie Es kam der Bischof und weihte das Kapell-
Wüger gegeben und der erst spät, er war zuerst chen und seinen Altar, und alle drei waren
Schreiner, zur Kunst gekommen war. Wüger überglücklich, Gott ein einheitliches Stück
fand aber in den Skizzen des Lenz, denn dieser Kunst darbringen zu können,
machte alle Entwürfe zur Malerei der Kapelle, Kurz darauf traten Wüger und Steiner im
eine kostbare Vorarbeit. Und er wußte sie Kloster Beuron in den Orden des hl. Bene-

diktus einund bekamen die Namen
Gabriel und Lukas. Lenz ging nach
Berlin. Hier entstanden sehr ägyp-
tisierende aber köstliche Zeich-
nungen, Aquarelle und Plastiken
und da war es, daß Lenz, ange-
regt durch das Buch von Zeising
über den goldenen Schnitt, seinen
Kanon der menschlichen Figur
fand, an dem er jetzt noch arbeitet.
Lang dauerte aber der Verbleib
in Berlin nicht. Er ging wieder
nach Beuron und blieb dort als
Laie im Kloster.

Da kam das Jahr 1874. Die
Ordensleute mußten vor dem Ge-
setze weichen und Deutschland
kam dadurch um einige sehr schöne
Arbeiten. Das Erzkloster Monte
Cassino hatte die Absicht, zum
Jubiläum seines Stifters, des hl.Be-
nediktus, seine Zelle mit angren-
zenden Räumen restaurieren zu
lassen. Der Prior, ein Deutscher
von Geburt, jedoch in Amerika
erzogen, ein Mann von feinem Ge-
schmack und großem Wissen, sah
auf einer Reise nach Deutschland
die Malereien der Kapelle von
St. Maurus. Er bot die Arbeit in
Monte Cassino den Künstlern von
Beuron an, die unterdessen in
beuroner Kunstschule modell zu einer Kapelle (1890) Tirol ein vorläufigesUnterkommen

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