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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 23.1907-1908

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Leitich, Albert: Franz Matsch
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https://doi.org/10.11588/diglit.12504#0310

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RELIGIONS#*%? CE5CHICHTE

F. MATSCH « RELIGIONSGESCHICHTE (1905)
Deckengemälde für die Wiener Universität

durchgeistigten Frauenkopfes, der ihm als Mo- damit seinen Stil geschaffen, den man etwa
dell dient, umwandelt, neu organisiert und als einen modernisierten Klassizismus be-
retuschiert zum Haupte einer „Aspasia". zeichnen könnte. Daher kann man bei ihm
Und hier liegt das wesentliche Moment wohl auch eine weibliche Figur sehen, die
im Schaffen Matsch", der Urgrund seines eine hochmoderne französische Figur trägt,
künstlerischen Systems. Er handelt ganz aber die Haltung einer antiken Statue be-
sichtbar nach dem Gesetze Goethes und obachtet und den strengen Gesichtsausdruck
greift mitten hinein in den Alltag, ins graue der Pallas zeigt; daher ist seine Wolter auf
oder lichte Dasein, um sich seine Motive zu beiden Bildnissen, die er von dieser Künst-
holen. Hat er sie einmal, dann unterzieht lerin gemalt hat (Abb. S. 281), sowohl die
er sie jenem Läuterungsprozeß, den man Sappho, die sagenhafte lesbische Dichterin
Stilisierung nennt. Die Richtung, die Matsch selbst, wie die neuzeitlich - antik kostümierte
dabei einhält, der Stil, den man als den Schauspielerin. Der oberste Vorteil, den diese
seinen bezeichnen kann, ist in der Haupt- Mischung für sich hat, besteht darin, daß
sache klassizistisch und antikisierend, und sie Matsch hindert, sich im Ueberschwange
zwar eher der primitiven, puristischen als des Pathos zu verirren. Und wenn die Ge-
der überreifen Antike zugewandt. Es ist genstände seiner Schilderung noch so ideo-
wohl nicht ohne Einfluß auf die grundlegen- logisch und weltentrückt sind: nie wird er
den Anschauungen des jungen Künstlers ge- den Boden eines gesunden Realismus völlig
wesen, daß gerade in seiner Lehrzeit Hausen verlassen.

in Wien wirkte, der in seinen Bauten auf Natürlich hängt es von seinem Thema ab,
die Urhellenik zurückgriff, und daß Matsch welchem von seinen Grundelementen Matsch
in den Studien zu seinen Arbeiten für die die Vorherrschaft einräumt. In seiner Grab-
Kaiserin die Figuralik der alten griechischen plastik, dem Denkmal der trauernden Mutter
Kleinplastik, der Vasenbilder etc. genau ken- über dem Kinde, ist das Klassische fast auf
nen lernte. Diese beiden Elemente, den ge- die Stelenform beschränkt und alles übrige
sunden Verismus seiner eigenen, praktischen freier, plastischer Empfindungsausdruck, in
Zeit und die im Streben nach Würde, Pathos welchem man den Impuls der Gemütsbe-
und Erhabenheit nicht selten erstarrende Stili- wegung ebenso deutlich wahrnehmen kann wie
sierung des frühen Altertums hat Matsch mit etwa bei Bartholome (Abb. S. 277). Gleich
der sorglosen Zuversichtlichkeit des richtigen, diesem ist ja auch Matsch sein eigener Lehr-
auf sich vertrauenden Künstlers vereint und meister in der Plastik gewesen und hat es

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