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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 23.1907-1908

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Keyssner, Gustav: Fritz Boehle
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https://doi.org/10.11588/diglit.12504#0410

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mann wäre? Vermag sich jemand im Ernst
vorzustellen, daß eine der Darstellungen nack-
ter reitender Jünglinge auf ihren antikischen
Gäulen (Abb. S. 381), in dem harten schweren
Dreiklang der grünen Wiese, der weißen Pferde
und der indianerbraunen Leiber, kommenden
Generationen ebenso neu, so lebendig, so be-
redt zu Auge und Sinn sprechend bleiben
würde, wie die Abendlandschaft mit dem heim-
reitenden Bauer, der, müde gearbeitet, auf
seinem schweren Ackergaul dem Dorf mit
seinen biederen Fachwerkhäusern, seinem
untersetzten Kirchturm zutrottet (s. Titelbild)?
Nur eine doktrinär formale Betrachtungsweise,
im innersten Kern akademisch, wie radikal
modern sie sich auch in Begründung und An-
wendung ihrer Theorien, im Absprechen und
Anerkennen gebärden mag, dürfte den Stim-
mungszauber dieses ruhevollen Abendbildes
als etwas Sekundäres gegenüber der Raum-
komposition einschätzen oder gar als stören-
des literarisches Element rügen. — Ein
Auge, das sich in der Schule jener Aesthetik
daran gewöhnt hat, in einem Bild nur ein
„System" mehr oder minder geschickt ver-
wobener „Arabesken", statisch abgewogener

Färb- und Flächenwerte zu sehen, wird den
„Ritter mit der Fahne" (Abb. geg. S. 380) nur
mit Genugtuung betrachten können. Die hellen
geballten Wolken über der schweren Masse
der Burg, die im Wind geblähte Fahne, der
ornamentale Reichtum der schimmernden Rü-
stung, die Linie des kurbettierenden Schim-
mels bis zu dem wehenden Schweif, alles ist
tadellos „recht nach der Kunst". Aber wie
steht es nun mit dem inneren Zusammenhang,
mit dem logischen Gerüst der Situation? Die
Halbkurbette des Pferdes ist direkt von den
Velasquezschen Reiterbildnissen herüberge-
nommen, ein seltsames, nur aus einer equestri-
schen Zeitmode erklärliches Ausdrucksmittel
des repräsentierenden, aber durchaus indivi-
duellen Fürstenporträts in eine zeitlos-typische
Darstellung glänzenden Rittertums. Die starken
dekorativen Qualitäten dieses Ritterbildes
in Ehren — aber ein höheres Kunstwerk im
Sinne einheitlicher Konzeption, schöpferischen
Erlebens bleibt doch wohl zuletzt so ein schlicht-
derbes Bauernbild, wie die Radierung des
„Bauern beim Abendgebet" (Abb.s.oben). Nicht
weil sie einen Bauern, einen deutschen Bauern,
einen betenden deutschen Bauern darstellt —

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