Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 23.1907-1908

DOI Artikel:
Schmidt, Robert: Die fünfzehnte Ausstellung der Berliner Secession
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.12504#0453

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
DIE FÜNFZEHNTE AUSSTELLUNG DER BERLINER SECESSION

gefährliche Folie für die tastenden Versuche wachs zu unserem nationalen Vermögen an
so vieler unfertiger Maler, daß der heraus- Kunstwerken ansehen können. Ohne einige
geforderte Vergleich für eine ganze Reihe mehr oder minder heftige Seitenhiebe wird
direkt vernichtende Wirkung hat. Und man es allerdings auch bei der folgenden Bespre-
kann denn auch immer wieder beobachten, chung nicht abgehen.

wie das — natürlich blöde, unverständige — Den Clou der Ausstellung bilden sicherlich
Publikum aufatmend sich in den roten Eck- die drei Werke von Louis Corinth. Weniger
räum flüchtet und sich stillzufrieden in das die scheinbar in übermütiger Weinlaune her-
Studium der schlichten, ohne jedes vordrän- untergestrichenen Bacchanten, deren Ahnen
gende Virtuosengetue, aber mit eminent phy- wir bei Jordaens suchen müssen, als die „Ver-
siognomischem Scharfblick gemalten Porträts suchung des heiligen Antonius" (Abb. S. 419)
versenkt. und vor allem die „Nacktheit". Welch eine

Ja, gibt es denn nun auch gar keine guten meisterhafte Beherrschung des Aktes, welch
Bilderam Kurfürstendamm? Natürlich, auch ein Fleisch, welch ein Leben! Da steckt ein
das. Man verzeihe das bisherige Schelten, Künstler dahinter, dessen Nerven keine Sei-
aber wenn ein Monat fünfzehn Regentage auf- denfäden sind und dessen Gehirn nicht von
weist, so läuft einem auch da die Galle über und hysterischen Schauern durchrüttelt wird,
es bleibt der Eindruck: total verregnet. Nun Schade das Pressen der „Versuchung" in so
also die Sonnenblicke, das wirklich positive kleine Dimensionen, das Bild schreit direkt
Ergebnis, das wir als einen ernsthaften Zu- nach Rubensformat. Am nächsten stehen den

Werken Corinths die Arbeiten
Slevogts: das prachtvolle Por-
trät eines Pikörs, dessen roter
Rock wie ein Trompetenstoß durch
den großen Saal gellt, und eine
Kleopatra mit den Zügen der Frau
Tilla Durieux (Abb. S. 429), male-
risch eine Glanzleistung. Dane-
ben, im selben Kabinett hängen
von Lieberaiann drei Porträts,
die ich nicht zu den besten Ar-
beiten des Meisters rechnen kann,
und die farbig vorzügliche Juden-
gasse in Amsterdam (Abb. S.418).
In dieser Umgebung ein wenig
deplaciert wirken die drei ent-
zückenden kleinen Tafeln von
Adolf Oberländer (Abb. S. 427),
dagegen verträgt sich trotz der
unendlichen Gegensätze gut mit
den Corinthschen Arbeiten das
fabelhaft rassige „Drama" von
Dauaiier (Abb. S.423); auch hier
spürt man, daß ein ,Kerl', ein
Könner vor der Staffelei stand.
Außer von Corinth gibt es noch
mindestens fünf liegende weib-
liche Akte in der Ausstellung, von
denen jeder eine andere Richtung
veranschaulicht, so das schlafende
Mädchen von Heinrich Nauen,
mit einer plastischen Energie ge-
malt, die gl eicherweise an van Gogh
und Münch, dessen direkt unheim-
lich charakteristisches Herrenpor-
trät ich erwähnen möchte, ge-
emil rud. weiss badende frauen schult zu sein scheint, sich aber

Ausstellung der Berliner Secession nicht über rudimentäre Abstraktion

412
 
Annotationen