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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 23.1907-1908

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Schmidt, Robert: Die fünfzehnte Ausstellung der Berliner Secession
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https://doi.org/10.11588/diglit.12504#0459

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DIE FÜNFZEHNTE AUSSTELLUNG DER BERLINER SECESSION

MAX LIEBERMANN JUDEN GASSE IN AMSTERDAM

Ausstellung der Berliner Secession

vorgebracht hat. — Leibis Ruhm brauchen wir nicht mehr zu ver- Nachahmung der Natur, der sie ihre Stoffe entlehnt; also nur in
künden: besser als wir es vermöchten, loben die Werke ihren der Art, wie die Natur nachgeahmt wird, kann die Kunst beruhen.
Meister. Auch liegt es uns fern, seine Kunst als die allein selig- Was ein jeder Künstler aus der Natur herausholt, macht seine
machende hinstellen zu wollen. Noch weniger sollen wir versuchen. Künstlerschaft aus, und wir müssen jahrhunderteweit zurück-
ihn nachzuahmen, was uns ja doch nur in seinen Aeußerlichkeiten greifen, um auf einen Maler zu stoßen, der all sein erstaunliches
gelingen könnte. — Man täte unserem Meister bitteres Unrecht — Können nur dazu verwandte, um uns das Wesen der Dinge sicht-
wie das bisweilen immer noch geschieht —, wenn man ihn nur bar vor Augen zu führen. Was aber heißt malerische Phantasie
als eminent geschickten Maler hinstellte: Leibi war nicht nur ein anders als die Fähigkeit, durch den malerischen Schein das innere
Meistermaler, der sein Metier verstand wie keiner seit den Zeiten Sein auch dem profanen Auge zu offenbaren? — Gerade jetzt, wo
van Eycks und Holbeins, er war auch ein eminenter Künstler. — uns eine allerdings äußerst geschmackvolle, aber greisenhafte Kunst,
Man hat Leibi Mangel an Phantasie vorgeworfen, und freilich, wie wir sie in den englischen Porträts des achtzehnten Jahr-
statt Götter und Helden hat er nur einfache Menschen gemalt. hunderts gesehen haben, vorbildlich hingestellt wird, haben wir
Aber gerade in dieser Einfachheit der Naturauffassung, in diesem geglaubt, Ihnen in Leibi Werke zeigen zu sollen, die aus dem
gänzlichen Verzicht auf die Anekdote, in diesem Sichversenken in ewigen Jungbrunnen der Natur geschöpft sind. — Vor Leibis Werk
die Natur zeigt sich die Tiefe seiner malerischen Phantasie um so will uns scheinen, als ob Talent und Charakter gleichbedeutend
schöner. Wie er die Wange einer jungen Bäuerin malt oder das seien, und gerade heute, in der Zeit der Kompromisse und des
durchfurchte Gesicht eines Jägers, die schwielige Hand eines Eklektizismus, sollen wir in Leibi neben dem großen Künstler den
Bauern oder den zarten Teint einer Dame: dazu ist höchste ma- aufrechten Mann ehren, der sich von niemand Gesetze vorsehreiben
lerische Phantasie erforderlich. — Immer noch existiert die irrige ließ, es sei denn von seiner Kunst, der keinem anderen Ziele
Meinung, als ob intime Naturnachahmung einen Mangel an Erfin- nachstrebte als seinem eigenen Ideal. — In der Bewunderung der
dung bedeute, und noch gilt bei vielen, was Lessing im ^Lao- Meisterwerke, die uns überkommen sind, stehen wir niemand nach,
koon" schreibt: rDer Maler, der nach der Beschreibung eines aber es erscheint uns als verderblichster Irrtum der Aesthetik, ein
Thompson eine schöne Landschaft darstellt, hat mehr getan, als feststehendes Ideal, dem jeder Künstler nachstreben soll, statuieren
der sie gerade von der Natur kopiert.44 — Für uns, die wir den zu wollen. — Nur voraussetzungsloses Studium der Natur — die
Inhalt in der bildenden Kunst nur insoweit gelten lassen, als er Kunstgeschichte aller Zeiten lehrt es — kann zu einer Renaissance
geeignet ist, die Qualitäten des Künstlers zu zeigen, kann die Er- der Kunst führen."
findung nur in der Ausführung beruhen. Alle Malerei basiert auf

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