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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 23.1907-1908

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Rumpf, Fritz: Lovis Corinth: zu seinem fünfzigsten Geburtstage
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https://doi.org/10.11588/diglit.12504#0528

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-b^> LOVIS CORINTH <^=^

wenn er auch irgend ein Vorbild eines anderen senschaftliche Zwecke erforderlich ist, dann
Künstlersgetreulichnachbildenwollte,eswürde kann der Mensch sich auf seine Erinnerung
doch immerein echter Corinth daraus werden, allein nicht verlassen,ermußden Natureindruck
Die Unfähigkeit, sklavisch, täuschend nachzu- durch Nachmessen der Ausdehnungen und
ahmen, ist ein Merkmal aller starken, eigen- Nachprüfen der Farben stückweise, bedächtig
artigen Geister. Corinth verarbeitet keinen festlegen und das gewonnene Ergebnis mög-
Eindruck, keinen Gedanken, den er sich nicht liehst unverändert zur Wiedergabe benutzen,
zuvor durch ein geeignetes Modell in die Wirk- Heute ist selbst für die Wissenschaft eine solche
lichkeit umgesetzt hat. Arbeit des Malers ziemlich überflüssig, als
Im Grunde genommen arbeiten alle Maler Kunstleistung konnte sie nie gelten. Der flüch-
nach der Natur, auch die, deren Stolz es ist, tige Anblick der Natur vermag dem Menschen
„aus dem Kopf zuarbeiten". Das große Ge- nichts zu sagen. Erst bei längerem Beschauen,
heimnis der Malerei beruht bekanntlich darin, bei Beobachtung und Vergleichung der Ver-
den richtigen Flecken (aus der Natur) an den änderungen, die Bewegung, Beleuchtung u.drgl.
richtigen Ort (des Malgrunds) zu setzen. Der hervorbringen, beginnt die Natur zu leben, ein
photographische Apparat besorgt das tadellos Genuß zu werden. Diese Belebung durch
sicher und schnell. Er wird unerreichbar Voll- zeitlich aufeinanderfolgenden Wechsel der Er-
kommenes in der Nachahmung leisten, wenn scheinungen kann ein Bild nicht geben. Wer
erst die Farbenphotographie noch etwas vor- aber dies Bild der Natur nicht lediglich als
geschritten ist. Die menschliche Maschine zur Licht und Farbenreiz auf sich wirken läßt, wer
Uebertragung des es erfaßt und zer-
Natureindrucks auf legt in die Grund-
eine Bildfläche ar- formen, aus denen
beitet ganz anders ^ sich jede Gestal-
alsdie photographi- tung aufbaut, in die
sehe. In ihr setzt Grundfarben, aus
sich das optische ^^^1» denen sich jeder
Bild nicht unmittel- Mischton zusam-
bar in einen chemi- mensetztundsodas
sehen Vorgang um, allmähliche, ver-
dessen Wirkungen wickelte Naturge-
ähnliche optische schehen gleichsam
Reize erzeugen wie im Augenblicknach-
die des Vorbilds. empfindet,demwird
Mit der Netzhaut L der Anblick der Na-
seinesAugesnimmt tur zum inneren Er-
der Mensch zwar lebnis. Der Künst-
die Naturerschei- 1er gibt die Natur,
nung ebenso auf, die er bis auf ihren
wie die photogra- Kern mit dem Auge
phische Platte, er durchdrungen hat,
kann sie auch für so wieder, wie sie
sich selbst mehr ihm offenbar ge-
oder weniger lang worden ist und of-
und vollständig in fenbart dadurch an-
derErinnerungfest- deren das Naturge-
halten, aber weiter- schehen. Die aus-
geben kann er sie serliche Genauig-
nur durch eine me- keit ist ihm da-
chanische Verrich- bei Nebensache, es
tung, die eine ganze kommt ihm auf die
Reihe schlimmer innerliche Folge-
Hemmungen be- richtigkeit der Er-
dingt. Soll die Wie- scheinungenanund
dergabe der Natur diese erreicht er
eine peinlich ge- besser durch ge-
naue sein, wie sie legentliches Ueber-
als Beleg für wis- lovis corinth Zeichnung treiben oder Ein-

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