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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 23.1907-1908

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Kalkschmidt, Eugen: "Persönlich", [2]: Epilog einer Bekanntschaft
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https://doi.org/10.11588/diglit.12504#0589

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„PERSÖNLICH" <^p-

steht leider, und nicht nur in den Beziehungen
zwischen Kunst und Kritik, sondern in denen
der Menschen untereinander genau so gut
oder so schlecht.

Aber wie kann es anders sein? Wir schätzen
die Persönlichkeit im Leben und in der Kunst.
Und woran erkennen, wie unterscheiden wir
sie? Doch an den Umrissen, an ihren Grenzen,
an Licht und Schatten, das uns entschiedene
Formen zeigt. Alle Kunst ist, zunächst, per-
sönlichstes Lebensresultat. Das Unpersön-
liche, das Uebermenschliche und Dauernde
steckt eben drin in diesen ganz subjektiven
Formen des Bekenntnisses. Alle Kritik ist
nicht minder subjektiv, muß das sein, wenn
sie Wert und Zweck haben will.

Wozu kann nun ein persönliches Verhältnis
des Kritikers zum Künstler anders führen als
zur — sagen wir gelinde: zur Abschleifung
der kritischen Subjektivität? Oder genauer:
wozu soll es nach dem Willen des Künstlers
anders führen? Der sagt sehr naiv: Der X ist
schlecht informiert, dem dummen Kerl wollen
wir schleunigst ein paar Lichter aufstecken
über meine Kunst. Der X ist aber so gut in-
formiert wie er nur sein kann. Er ist höch-
stens wirklich ein dummer Kerl, der von

Kunst überhaupt nichts versteht. Dann machen
ihn die paar Lichter des Künstlers auch
nicht helle.

Um es dir grad heraus zu sagen: ich will
mit den Künstlern persönlich so wenig wie
möglich zu tun haben. Was gehen sie mich
an? Sie sind Werkzeuge einer unsichtbaren,
unergründlichen Werkstatt. Was sie mir
sagen können, sagen sie mir tausendmal besser,
tiefer, klarer durch das Werk, als vor ihm.

Da werden sie so oft schrecklich klein, ja
kleinlich, und stehen ihrem eigenen guten
Genius im Licht. Da hat man hinterher alle
Hände voll zu tun, um ihre werte Person
von der Sache, die sie vertreten, beiseite zu
schieben. Da will man gerecht sein, nun
gerade, weil man sie kennt, und vor lauter
Gerechtigkeit wird man ungerecht gegen sie,
macht man ihre Arbeit schlechter, als sie es
verdient.

Oder aber man liebt die Harmonie, man
weiß und sagt sich: wenn du deine Bedenken
über diesen Schmarren vom Meister Klecksel
äußerst, so wird der verteufelt unharmonisch,
der Grobian. Am Ende gar beschwert er sich
bei deiner Redaktion, und du wirst deinen
kleinen Posten los. Lieber Gott, ein jeder

AUGUST WILKENS TRAUER

Kunstausstellung Dresden 1908

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