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setzt, und räumt sie weg, wenn er aufsteht. f
Im Atelier liegt Höhenstille. Nur manchmal
plätschert es in einem Marmorbrünnchen, wo
wunderherrlich schillernde, scheinbar gleich-
gültig, in Wirklichkeit mit großer Sorgfalt hin-
gestreute Muscheln liegen. Eine silberne
Schildkröte hockt auf dem Boden. Khnopff
sagt: „Sie machte zu viel Lärm beim Kriechen,
in darum ließ ich sie töten!" Pose! wird man
sagen. Gewiß! Es liegt Pose darin, wenn
9 ein Mann so vor andern von seiner Geräusch-
3 empfindlichkeit spricht. Aber schauen Sie in
dieses Gesicht, das so höflich und welt-
männisch lächelt, und in das doch geheime, den
% andern fremde Schmerzen nervöse huschende
Gräben gezogen haben ! Der leise Spott in
diesem Gesicht sieht wie eine ängstliche Ab-
wehr aus. Nein, hier steht doch jemand vor
uns, der am Rande des Alltags einhergeht,
weil er den Alltag und sein lebendig starkes
blödes Draufgehen und sein wildes Lärmen
fürchtet. Hier steht jemand, der so weit vor
diesem Lärmen geflüchtet ist, soweit bis hier-
her in diesen stolzen, kalten Sarg der Schön-
heit, in dem selbst das leise Kratzen der
Schildkröte böse in die Ohren drang.
Auf einer Vitrine, in der köstlich feine
Bijous ausgebreitet liegen, an deren Gläsern
in glänzenden Tropfen Perlenketten hängen,
auf deren Oberfläche ein wundersamer starrer
halbgeflügelter Frauenkopf steht, auf dieser ent-
zückendsten Vitrine von feinfingrigster Schön-
heit steht in goldenen Buchstaben das furcht-
bare Glaubensbekenntnis des Einsamen:
„On n'a qu e soi!"
Und nun hängen da vor uns die Bilder von
Fernand Khnopff, durch deren Rahmen, wie
durch Fenster, wir und alle Welt in seine
Seele sehen. Fernand Khnopff und die Frau!
Es ist zwingend logisch, daß diesem einsamen,
einzigartigen Geiste von schmerzhaftester Emp-
findungsfähigkeit, daß diesem Manne aus dem
j fernen, unirdischen Reiche ausgesuchtester
) Schönheit, das Frauenideal ein Traum, und
i die Frau selbst etwas Grausames sein muß.
) Mit der ganzen, unglaublich fein vibrierenden,
ileise anklingenden Sensibilität kaum ange-
tönter Farben, mit dem plötzlichen kleinodien-
j haften Aufblitzen eines Blau oder Schwefel-
gelb, hat er die Sphinx gemalt. Hohe, klug-
heitsreine, in der Milte nach Khnopffschem
\ Eigenwillen vom Rahmen abgeschnittene Stirn,
j graue tigerhafte, unergründliche und unerbitt-
liche Augen und kühl grausam ein wenig
I geöffneter Mund. Ihre Krallen schlägt sie
I heimlich in das Jünglingsfleisch. Das ist der
I empfindlich vornehme Einsame, über dessen
| Haupte der Spruch: On n'a que soi! hängt, F- khnopff une a.le bleüe
343
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setzt, und räumt sie weg, wenn er aufsteht. f
Im Atelier liegt Höhenstille. Nur manchmal
plätschert es in einem Marmorbrünnchen, wo
wunderherrlich schillernde, scheinbar gleich-
gültig, in Wirklichkeit mit großer Sorgfalt hin-
gestreute Muscheln liegen. Eine silberne
Schildkröte hockt auf dem Boden. Khnopff
sagt: „Sie machte zu viel Lärm beim Kriechen,
in darum ließ ich sie töten!" Pose! wird man
sagen. Gewiß! Es liegt Pose darin, wenn
9 ein Mann so vor andern von seiner Geräusch-
3 empfindlichkeit spricht. Aber schauen Sie in
dieses Gesicht, das so höflich und welt-
männisch lächelt, und in das doch geheime, den
% andern fremde Schmerzen nervöse huschende
Gräben gezogen haben ! Der leise Spott in
diesem Gesicht sieht wie eine ängstliche Ab-
wehr aus. Nein, hier steht doch jemand vor
uns, der am Rande des Alltags einhergeht,
weil er den Alltag und sein lebendig starkes
blödes Draufgehen und sein wildes Lärmen
fürchtet. Hier steht jemand, der so weit vor
diesem Lärmen geflüchtet ist, soweit bis hier-
her in diesen stolzen, kalten Sarg der Schön-
heit, in dem selbst das leise Kratzen der
Schildkröte böse in die Ohren drang.
Auf einer Vitrine, in der köstlich feine
Bijous ausgebreitet liegen, an deren Gläsern
in glänzenden Tropfen Perlenketten hängen,
auf deren Oberfläche ein wundersamer starrer
halbgeflügelter Frauenkopf steht, auf dieser ent-
zückendsten Vitrine von feinfingrigster Schön-
heit steht in goldenen Buchstaben das furcht-
bare Glaubensbekenntnis des Einsamen:
„On n'a qu e soi!"
Und nun hängen da vor uns die Bilder von
Fernand Khnopff, durch deren Rahmen, wie
durch Fenster, wir und alle Welt in seine
Seele sehen. Fernand Khnopff und die Frau!
Es ist zwingend logisch, daß diesem einsamen,
einzigartigen Geiste von schmerzhaftester Emp-
findungsfähigkeit, daß diesem Manne aus dem
j fernen, unirdischen Reiche ausgesuchtester
) Schönheit, das Frauenideal ein Traum, und
i die Frau selbst etwas Grausames sein muß.
) Mit der ganzen, unglaublich fein vibrierenden,
ileise anklingenden Sensibilität kaum ange-
tönter Farben, mit dem plötzlichen kleinodien-
j haften Aufblitzen eines Blau oder Schwefel-
gelb, hat er die Sphinx gemalt. Hohe, klug-
heitsreine, in der Milte nach Khnopffschem
\ Eigenwillen vom Rahmen abgeschnittene Stirn,
j graue tigerhafte, unergründliche und unerbitt-
liche Augen und kühl grausam ein wenig
I geöffneter Mund. Ihre Krallen schlägt sie
I heimlich in das Jünglingsfleisch. Das ist der
I empfindlich vornehme Einsame, über dessen
| Haupte der Spruch: On n'a que soi! hängt, F- khnopff une a.le bleüe
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