Zahllose Mißverständnisse auf dem Boden „schwer", „heiter", „hell", „laut", — alle diese
populärer Geschmacksurteile liegen darin, daß Bezeichnungen sind nichts als rohe Vergleiche
die Phraseologie unserer Alltags-Ästhetik die mit anderen Sinnesempfindungen. Es zeigt, daß
Begriffe, die zwischen schön und häßlich lie- hier ein Reich ist, dessen Wesen wir erst zu
gen, nicht herausgebildet hat. Die meisten ahnen beginnen.
Menschen meinen, daß man alles, was man *
nicht häßlich findet, schön finden muß. Wer kennt nicht vielbeachtete Menschen,
deren ganze geistige Betätigung in nichts an-
derem besteht als in Überschriften. Diese
Der weise Mann, welcher den Spruch auf- Überschriften werfen sie mit großer Geste in
stellte: „Über Geschmack läßt sich nicht strei- die Debatte des Lebens. Der eigentliche Text
ten", war ein Egoist. Er wollte sich die törich- interessiert sie nicht mehr.
ten Stunden ersparen, die man vergeudet, wenn *
man mit Schwerhörigen über Musik rechten Es gibt Dinge, die aufhören zu existieren,
muß. wenn sie sich beweisen lassen.
Aber aller Egoismus rächt sich. Hinter dem «-
Schutzwall dieses Spruches diktieren nunmehr Was im technischen Sinne „moralisch" ist,
die Schwerhörigen im Reiche der bildenden kann reizlos, gleichgültig, herausfordernd, aber
Kunst ungestört ihre Musikansichten der gan- nicht häßlich sein. Es gibt keine Häßlichkeit,
zen Welt. die nicht im technischen Sinne zugleich mora-
* lisch wäre.
Wie kommt es, daß der Mensch nur für Daraus geht nicht hervor, daß. nun alles
das Wesen der Farbwirkungen keine eigenen, Technisch-Moralische zugleich schön wäre,
diesem großen Reich unserer Eindrücke eigen- Zwischen schön und häßlich liegen neutrale
tümlich entwachsenen Wortbegriffe geprägt hat. Zwischenwerte.
„Warm", „leuchtend", „stumpf", „gebrochen", *
L. QUAGLIO D. J. GEBIRGSLANDSCHAFT MIT IN-
NEREM EINES BAUERNHOFES
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30'
populärer Geschmacksurteile liegen darin, daß Bezeichnungen sind nichts als rohe Vergleiche
die Phraseologie unserer Alltags-Ästhetik die mit anderen Sinnesempfindungen. Es zeigt, daß
Begriffe, die zwischen schön und häßlich lie- hier ein Reich ist, dessen Wesen wir erst zu
gen, nicht herausgebildet hat. Die meisten ahnen beginnen.
Menschen meinen, daß man alles, was man *
nicht häßlich findet, schön finden muß. Wer kennt nicht vielbeachtete Menschen,
deren ganze geistige Betätigung in nichts an-
derem besteht als in Überschriften. Diese
Der weise Mann, welcher den Spruch auf- Überschriften werfen sie mit großer Geste in
stellte: „Über Geschmack läßt sich nicht strei- die Debatte des Lebens. Der eigentliche Text
ten", war ein Egoist. Er wollte sich die törich- interessiert sie nicht mehr.
ten Stunden ersparen, die man vergeudet, wenn *
man mit Schwerhörigen über Musik rechten Es gibt Dinge, die aufhören zu existieren,
muß. wenn sie sich beweisen lassen.
Aber aller Egoismus rächt sich. Hinter dem «-
Schutzwall dieses Spruches diktieren nunmehr Was im technischen Sinne „moralisch" ist,
die Schwerhörigen im Reiche der bildenden kann reizlos, gleichgültig, herausfordernd, aber
Kunst ungestört ihre Musikansichten der gan- nicht häßlich sein. Es gibt keine Häßlichkeit,
zen Welt. die nicht im technischen Sinne zugleich mora-
* lisch wäre.
Wie kommt es, daß der Mensch nur für Daraus geht nicht hervor, daß. nun alles
das Wesen der Farbwirkungen keine eigenen, Technisch-Moralische zugleich schön wäre,
diesem großen Reich unserer Eindrücke eigen- Zwischen schön und häßlich liegen neutrale
tümlich entwachsenen Wortbegriffe geprägt hat. Zwischenwerte.
„Warm", „leuchtend", „stumpf", „gebrochen", *
L. QUAGLIO D. J. GEBIRGSLANDSCHAFT MIT IN-
NEREM EINES BAUERNHOFES
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