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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 42.1926-1927

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Escherich, Mela: Josef Eberz
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https://doi.org/10.11588/diglit.14162#0300

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heit, bekenntnishaft in ihrer Inl)runst, schöpfe-
risch mitschwingend in der Mystik des Bauge-
dankens.

Dann verschiedene Gemälde, die heute zum gro-
ßen Teil in Wiesbadener und Kölner Privatbe-
sitz sind; darunter die Motive aus dem Kirch-
holFschen Garten in Wiesbaden. Wie in Eber-
bach die Architektur, so ist es hier die Flora, aus
der Eberz das Exotische aufgreift und zu be-
rauschenden Wirkungen bringt. Seine Blumen,
seine Pflanzen atmen eine narkotische Sphäre
aus, und diese ist es auch, die seine Menschen
umlullt. Seine Gestalten, etwa wie der „Früh-
ling" im Wiesbadener Museum, stehen leidend
in dieser Sphäre, von ihr bedrückt und belastet
wie von einem Fatum. In tief leidenschaftlichen
Farben bebt Wollust, qualvoll hinschwelende
Glut, die nicht in helles Lodern kommt.
Diese Menschen leiden unter der Leidenschaft.
Sie finden in ihr nur Hemmungen, keine
Erlösung.

Das Grübelnde und Suchende, das unter der
Stimmung beirrender Schwüle in diesen Mo-
tiven verborgen liegt, führt über sie hinaus. Wir
haben dieses Gefühl fast bei allen figürlichen
Darstellungen des Künstlers. Derauf den ersten
Blick etwas plumpe Ausschnitt „Der Tromm-
ler" löst sich in eine Menge beziehungsvoller
Feinheiten auf, ein Geflimmer von j:>sychologi-
schem Hin und Her, Zerrissenheiten und Ein-
heiten. Man verfolge das Spiel der Blickrich-
tungen, das zu einem aufregenden Drama wird.
In „Mariagraete als Pierrot" ist die Last der
seelischen Atmosphäre auf eineEinzelfigur kon-
zentriert. Die SchlafTheit der Haltung sammelt
alle Spannung in sich auf, die der nächste Augen-
blick entfesseln wird. Das zierliche Persönchen
hat etwas von einer schlafenden Blüte, einer
Glockenblume. Bald wird sie sich erschließen.
Eberz hat diejunge WienerTänzerin schon ein-
mal gemalt, im kurzenBallettröckchen. Das Bild
war in der Neuen Secession München 1923 aus-
gestellt. Es wirkte durch die nachdenkliche An-
mut, die er in das Sujet brachte. Der „Pierrot"
ist ungleich tiefer erfaßt; schon als Motiv an
sich. Besondrer Reiz liegt in der Darstellung der
Hände, die zusammen mit dem Kopf die Win-
kel eines Dreiecks bilden, wozu der gesenkte Blick
dieRichtliniengibt. Sehr interessantes konstruk-
tives Spiel!

Aber es bleibt nicht beim Spiel. Den Schlüssel
dazu geben die Landschaften, in denen das stür-
mische Aufwärtsdrängen des Künstlers sich fast

heftig verdeutlicht. Ein Aufenthalt in Italien
brachte reiche Früchte. Die italienische Land-
schaft mit ihren starken Steigerungen, ihrem
eigentümlich sich eingliedernden Rhythmus der
Architektur, der immer wiederkehrenden Me-
lodie der gewunden aufsteigenden Gassen und
Weinbergmauern sagte hierfür besonders zu.
Die Sprache wird ekstatisch. Man denkt zuweilen
an Greco. In diesen letzten Jahren beschäftigten
den Künstler neue Probleme. Er wandte sich der
Wandmalereizu. Die ersten äußerst glücklichen
Versuche entstanden in der Villa des Professors
Kanter in Feldafing. Leichte, graziöse Phanta-
slik; d urchaus dekorativ. Roman tik aus dem Geist
EichendorfFs. Dann das Wandbild „Freude" in
der Münchner Gewerbeschau 1923 (seinerzeit
in der „Kunst" abgebildet); 1925 Wandbilder
in derVerandaderVilla Gutmann und im Musik-
raum der Villa Eisenberg, beide in Nürnberg.
Dann kam der Auftrag, die Taufkapelle der
neuen Pfarrkirche zu Salzburghofen-Freilassing
bei Salzburg auszumalen, dem mittlerweile
auch der weitere, die Ausmalung der gesamten
Kirche, folgte. Vorläufig ist die Taufkapelle
vollendet.

Als Thema wählte Eberz: der heilige Rupert,
Salzburgs Gründer und erster Bischof, die Taufe
spendend. Dieses äußere Thema ist gesvisser-
maßen nur der Anlaß zum innern. Jetzt end-
lich findet der Künstler ein Motiv, das ganz nach
seinem Sinne ist: die christliche Liebe. Das Eros-
problem, das immer wiederkehrender Gegen-
stand dieser Kunst ist, erscheint nun fast wie ein
Vorspiel. Aus der Schwere und Schwüle des Sin-
nenlebens erhebt sich in feierlicher Läuterung
das Motiv der helfenden mystischen Liebe. Die
Darstellung, die drei Wände füllt, ist gedacht
als ein den Beschauer umfließender Liebesstrom.
An der linken Y\ and beginnt es: Heiden, die zur
Taufe drängen, ergreifendes \ erlangen in Blick
und Gebärde. Dann die Mittelwand: der Heilige
tauft. Und an der rechten Wand: beglücktes
Hinwegwandeln der von dem Sakrament Be-
gnadeten, tiefehibrunst erfüllten Begehrens. Die
Y\ elt ist versöhnt durch den Strom des Erbar-
mens, der von der neuen Lehre ausgeht und in
diese Y\ eile der Erlösung mündet auch dieNatur
ein, wird gleichsam in ihren Rhythmus gezogen.
So fügt sich als gewollte Form die Kurve des
segnend geneigten Hauptes des Heiligen und
jene seines erhobenen Armes in die Höhenlinie
des dahinter sich hinziehenden Bergzugs. Die
Gestalt des Missionars wächst mythisch mit

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