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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 43.1927-1928

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Uhde-Bernays, Hermann: Ein Jacob Burckhardt-Buch
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Carus, Carl Gustav: C. G. Carus - Kunst und Wirklichkeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.16477#0101
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EIN JACOB BURCKHARDT-BUCH*)

Seit dem Tode Eberhard Gotheins wird der
Rang, mit weithin schauendem Blick als Poly-
histor die Geschichte der Welt und der Kunst
gleich Burckhardt zu umfassen, dem Heidelber-
ger Universitätslehrer Carl Neumann nicht ab-
zustreiten sein. Neumann bat schon seit seiner
vielbeachteten Rede über byzantinische Kultur
undRenaissancekultur (1903) von seiner geistigen
'S erwandtschaft mit Burckhardt mehrfach glän-
zendeNachweise erbracht. Verschiedene kleinere
\ erölfentlichungen Neumanns, die Burckhardt
als Menschen und Gelehrten behandelten, bevor
der große Schweizer Wahrsager durch den
Weltkrieg in ein ganz besonderes 'S erhältnis zu
uns Deutschen gebracht wurde, ließen schon
lange in dem wachsenden Kreise der Verehrer
Burckhardts die Hoffnung auf eine Sammlung
derselben entstehen. Ihr ist in dem vorliegen-
den handlichen und würdig- ernsten Bande Er-
lüllunggewährf. Da leider die Biographie Burck-
hardts von Otto Markwardt durch dessen Tod
unvollendet geblieben und zudem in Deutsch-
land wenig bekannt geworden ist, darf das Bucb

* Carl Neumann, Jacob Burckhardt. Groß-Oktavband mit
402 Seiten. In Leinen M. 15.50. Verlag F. Bruckmann A.-G.,
München.

Neumanns das Ausfüllen dieser Lücke bis zum
Erscheinen einer Lebensbeschreibung großen
Stiles beanspruchen, in der Burckhardt als die
letzte ganz geschlossene Persönlichkeit einer
kulUu'ell-humanistischenDaseins-undWirkens-
möglichkeit zu betrachten wäre. Neumanns
Ausführungen erklären mit einer alle be-
deutungsvollen Verbindungen der Burckhardt-
sclienAnschauiingen, Renaissance, Griechenland,
Weltgeschichte im allgemeinen mit Heranzie-
hung verborgener literarischer Einzelheiten
zusammenschließenden und zugleich teilnahms-
voll innerlich erregten Beweglichkeit der geisti-
gen Einstellung das Lebendige, Ewige des
Burckhardtschen YS esens. \S o die wirkliche
Größe dieses bescheidenen Weisen für uns
liegt, die seine „Himmelstöne mächtig und
gelind im Staube suchen", wo die erstaunliche,
überzeitliche Resonanz aufklingt, der späte
Generationen noch mit starker Erschütterung
lauschen werden. ZudiesenEigenschaften Burck-
hardts ist Neumann der freundlichste und kun-
digste Führer und nicht die Gemeinde Burck-
hardts allein hat ihm für dieses Buch dankbar
zu sein, sondern das ganze deutsche 'S olk.

H. U.-B.

C. G. CARÜS: KUNST UND WIRKLICHKEIT

Warum soll der Künstler, dem ein Ziel vor-
schwebt, nach dem tlic gemeine Y\ elt sich nicht
umsieht, den alltäglichen Bedarf nicht durch
irgendein ganz alltägliches Treiben erwerben?
Ja. ich behaupte: selbst dieser Kampf mit dem
alltäglichen Leben, wobei es ihm frei und sogar
natürlich bleiben wird, das Alltägliche selbst
von einer großartigen und edlen Seite zunehmen,
wird ihn innerlich kräfügen und wird ebenso seine
gesamte menschliche Ausbildung vervollständi-
gen, wie ein gesunder Körper nur durch gleich-
zeitige tüchtige Regsamkeit seiner niedern und
höhern Organe als wahrhaft gesund erscheint.

Leider habe ich Künstler genug sowie Gelehrte
gesehen, denen ihreKunst wie jenen ihreWissen-
schaft nur die melkende Kuh war, die rein
handwerksmäßig nur fragten: was schätzt die
Menge? was schmeichelt den Narrheiten der
Zeit, und indem sie in dieses Trachten sich
immer melir verwickelten, nach bald verflogener
erster jugendlicher Begeisterung in philister-
hafter Dumpfheit ihren Pinsel und Stift nicht
sowohl von Kopf und Herzen, sondern allein
vom Magen aus regieren ließen.

(Aus „Neun Briefe über Landschaftsmalerei".
A erlag Wolfgang Jess.)

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