Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 44.1928-1929

DOI article:
Tietze, Hans: William Blake
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.14159#0397
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
WILLIAM BLAKE. RUTHS ABSCHIED VON NOEMI

dunkel rollenden Versen von Blakes Dichtungen
naturnäher klingt als irgend etwas, was die
englische Literatur des achtzehnten Jahrhunderts
hervorgebracht hat, was in den hellen Aquarellen
oder den technisch merkwürdigen Tempera-
blättern, die er Fresken nannte, auch den Wider-
strebenden fesselt, ist die Ausstrahlung dieser
inneren Gesichte, deren Klarheit ihm die Bürg-
schaft ihrer Wahrheit zu sein schien. „Eine
Vision ist nicht, wie die modernen Philosophen
annehmen", schreibt Blake an einer polemischen
Stelle, „ein wolkiger Dunst oder ein Nichts: sie
ist vielmehr so genau durchgebildet, wie kein

sterbliches und vergängliches Ding es sein kann.
Wessen Einbildungskraft nicht Formen von
stärkerem und klarerem Umriß und in hellerem
Licht hervorbringt, als sein sterbliches Auge sie
sieht, dessen Einbildungskraft taugt überhaupt
nichts." Für Blake ist die Vision also eine geistige
und eine künstlerische Urform zugleich; er hielt
sich für inspiriert, wie es etwa die Propheten des
Alten Testaments gewesen waren, aber er hielt
diese Inspiration nicht für eine ihm persönlich
zuteil gewordene Gabe, sondern glaubte, daß die
großen Künstler der Vergangenheit ■—dieMichel-
angelo, Dürer oder Baffael — oder auch die der

358
 
Annotationen