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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 47.1931-1932

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Wilm, Hubert: Hans Leinberger zum Gedächtnis
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https://doi.org/10.11588/diglit.16479#0380
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wenn — was zuweilen vorkommen soll — die zu
seinem Gedächtnis veranstaltete Ausstellung auch
nicht vermocht hat, ihn über Nacht volkstümlich
zu machen, so darf man doch annehmen, daß es
heute kaum einen deutschen Kunstfreund mehr
gibt, der mit dem Namen Leinberger nicht eine
ganz bestimmte Vorstellung verbindet.
Freilich: das Dunkel, das über sein Leben, über
seine Herkunft, seine Gesellen- und Wanderjahre,
ja über die Zeit seines Todes gebreitet liegt, hat
sich bis heute noch keineswegs gelichtet. Wir wis-
sen gegenwärtig über sein Leben nicht viel mehr
als etwa vor zehn Jahren, ja kaum mehr als das,
was jene erste grundlegende Arbeit über ihn, die
V eröffentlichung Georg Habichs im „Münchner
Jahrbuch der bildenden Kunst", uns an Lebens-
daten mitzuteilen vermochte.

Bleibt dieser Teil unseres Wissens um den großen
Meister daher immer noch recht unvollständig, so
hat doch die kunstgeschichtliche Forschung in-
zwischen einen anderen Teil dieses Wissens in
ergiebiger W eise erweitert: die Liste jener W erke,
die wir als Schöpfungen seiner eigenen Hand an-
sprechen dürfen, hat an Lmfang zugenommen, so
daß das Bild seiner künstlerischen Persönlichkeit
heute aufgeschlossener und mannigfaltiger vor
unserem geistigen Auge steht. Ob und wann sich
der Schleier, der Hans Leinbergers Lebensgeschichte
umhüllt, einmal durch einen glücklichen archiva-
lischen Fund lüftet, wissen wir nicht. Die W ege
des Zufalls sind vielfältig und unberechenbar, und
nur ein Zufall könnte der Forschung hier zu Hilfe
kommen. Denn die wichtigsten Urkunden, die Auf-
schluß zu geben vermöchten, sind verschwunden.
Die Landshuter Bürgeraufnahmebücher der Jahre
1500 bis 1515 fehlen. Das sind die entscheidenden
Jahre; während dieser Frist muß Leinberger nach
Landshut berufen worden sein. 1516 taucht dann
sein Name am Landshuter Hof zum ersten Male auf:
in den Rechnungsbüchern des herzoglichen Kam-
meramts. Der ..Schnitzer Hans" erhielt damals auf
seine Arbeit 10 Gulden. 151g und 1522 sind weitere
Zahlungen an ihn aufgezeichnet und im Jahre 1529
ist zum ersten Male von einem festen Sold die Rede,
den er (vierteljährlich 5 Gulden) aus der herzog-
lichen Kasse bezieht. Das Letzte, was die alten
Urkunden melden, ist der Eintrag in den Kammer-
amtsrechnungen von 1530: „Hannsen Leynnperger,
Schnitzer"' erhält seinen Jahressold von 20 Gulden
ausbezahlt. Die Kammerbücher der Jahre 1531 bis
1539 fehlen wieder, und da Leinbergers Name in
dem Kammerbuch von 15/10 nicht mehr vorkommt,
darf man mit gutem Grund annehmen, daß der
Meister in dem Zeitraum, den die Jahre 1531 und
1539 umschließen, gestorben ist. Das ist — bis
auf einige Ziffern und Daten, die wir aus den Ab-
rechnungen für die beiden Moosburger Kirchen

St. Kastulus und St. Johannes erfahren — alles,
was über Leinbergers Leben und Schaffen bis heute
bekannt geworden ist.

So karg die Aufschlüsse sind, die aus diesen weni-
gen Daten zu des Meisters Lebensgeschichte ge-
wonnen werden können, so reich sind die Erkennt-
nisse über seine Künstlerschaft, deren wir bei einer
einläßlichen Betrachtung der eigenhändigcnW erke
teilhaftig werden. Die Landshuter Ausstellung mit
ihren 170 Bildwerken war etwas reichlich mit Schul-
und W erkstattgut durchsetzt. Vielleicht hatte diese
Fülle für den Laien etwas Verwirrendes : vielleicht
wäre die überragende Persönlichkeit Leinbergers
in schärferen Umrissen vor den Augen der Aus-
stellungsbesucher auferstanden, hätte man sich in
der Auswahl größere Beschränkung auferlegt. Trotz-
dem, der Kern dieser Überschau, einige zwanzig
eigenhändige W erke des Meisters, vermittelte den
unvergeßlichen Eindruck seiner eminenten Künst-
lerschaft.

Von den bisher schon bekannten eigenhändigen
Bildwerken zeigte die Ausstellung: die kleine Mut-
tergottes aus der Schatzkammer in Altötting, die
Muttergottes aus Neumarkt a. d. Bott (Abb. 8.359),
die hl. Magdalena aus Marklkofen, die Maria
unterm Kreuz aus Dingolfing, das wundervolle
kleine Belief des Kalvarienbergs von 1516, die
Bronze-Muttergottes aus dem Moosburger Rathaus
(Abb. S. 360), die Muttergottes von St. Martin in
Landshut, den hl. Jakobus in München und die
Muttergottes von Polling. Um diese Höhepunkte
reihten sich — von den Bearbeitern des Kataloges
der Ausstellung, Dr. Hans Buchheit und Dr. Georg
LilL von Dr. Michael Hartig und von anderen
Forschern dem Meister jetzt zugeschrieben — meh-
rere neubestimrnte Stücke: das 1513 datierte an-
mutige Relief der hl. Anna selbdritt von Gnaden-
thal, das bisher als Arbeit des Matthäus Kreniß
galt (Abb. S. 357); die Muttergottes von Furth:
das Chorbogen-Kruzifix von Erding, eine kraft-
volle, ausdrucksstarke Arbeit aus der Zeit um 1515;
das kleine Kruzifix in Berlin : der hl. Christopherus
auf der Trausnitz (Abb. S. 3631; die Mutlergottes
von Scheuer, die etwa in die Jahre zwischen
1520—1525 gehört, und der Schmerzensmann von
Weilheim, eine rassige, elegante Figur aus der Zeit
der Pollinger Muttergottes von 1527. Für diese
erfreuliche Erweiterung des stilistisch gesicherten
W erkes Hans Leinbergers wird man den Veran-
staltern der Ausstellung dankbar sein. Einige andere
Zuschreibungen im Katalog sind nicht so sehr
überzeugend. So die in die Frühzeit versetzte Mut-
tergottes von Altdorf, die mir ein Schulwerk zu sein
scheint; so der an sich bewundernswerte Christus
in der Rast in Landshut, der von dem Berliner
Stück, das Adolf Feulner publiziert hat, an Feinheit
der Ausführung doch übertroffen wird; so die

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