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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 59.1943-1944

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Christoffel, Ulrich: Zu einer Bildfolge von Hermann Geiseler
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https://doi.org/10.11588/diglit.16492#0050
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Foto H. Eichhorst, Düsseldorf

Hermann Geiseler. Geisberg-Gletscher

Tafelbild im Kasino einer Polizeikaserne

birgslandschaft macht sich geltend, ohne daß die
Höhenspannung verloren ginge und durch diesen
Ausgleich erhält das Bild der Landschaft einen flä-
chigen, wandschmückenden Charakter. Segantini und
Kodier haben zuerst diese Breitendehnung der Ge-
birgsmassive für ihre dekorative Landschaftskompo-
sition verwertet. Geiseler trägt diese schöne Weit-
räumigkeit vom Meere her im Auge und erkennt sie
wieder in der Durchsichtigkeit der farbenreichen Hö-
henluft. Darin unterscheiden sich die Bilder des Ma-
lers von den meisten herkömmlichen Gebirgsland-
schaften, daß er statt der bewegenden Türmung die
beruhigende Dehnung und statt der Fernsicht die
positive Nahsicht wählte. Schon früher hat Geiseler
in einer Seelandschaft mit dem Gebirge im Hinter-
grund diese Bildform zur Wirkung gebracht und auch
in einer Landschaft von der Stadt München, die den
Blick vom Maximilianeum über die Isar und die Kir-
chen und Türme wiedergibt, hat die Weite des Him-
mels eine bildmäßige Sammlung und Dichtung durch
die malerische Gestaltung erhalten.
Die beiden Landschaften entsprechen sich. Beide ver-
einigen die gezackte Formation der Felswände und
Spitzen mit der malerischen Wirkung des Wassers.
Einmal ist es ein See, in dem sich die teilweise noch
schneebedeckten Kämme und Mulden der Berge spie-
geln, woraus sich die Richtung des Bildes nach der
Mitte zu ergibt, die deutlich auch durch die Steine

im Wasser betont wird. Das Bild wölbt sich räumlich
nach innen, während es linear dekorativ in der Fläche
gehalten wird. Es sind dies malerische Beobachtun-
gen, für die Geiseler eine besondere Begabung besitzt
und deren farbige Verwirklichung er im Laufe der
Jahre ausgebildet hat. In dem zweiten Bilde ist es ein
Bergbach, der aus dem Gletscher entspringt und sich
im Vordergrund rauschend ausbreitet und zuletzt den
ganzen untern Bildrand einnimmt. Was die Natur
dem Blick darbietet, wird durch das formende Auge
zu einem Bilde umgestaltet, in dem Zacken und Kur-
ven, Ruhe und Bewegung, Gestein und fließendes
Wasser farbig tonig und dynamisch ihren Ausgleich
gefunden haben. Die Landschaften sind ebenso ver-
schieden in ihrer farbigen und formalen Einzeldurch-
bildung wie sie übereinstimmen in der wandbildarti-
gen Haltung, in der sie sich mit dem figürlichen Bild
vereinigen. Die Wände des Kasinosaales erhalten
durch die Bilder einen wohligen, farbigräumlichen
Akzent, und diese Formung und Erfüllung strömt
von den Bildern aus über den ganzen geselligen
Aufenthaltsraum. Durch die frische Farbigkeit der
Landschaften, durch die Kühle und Klarheit der Luft
und die Prägnanz der Bergformen und Kanten wird
aber auch ein Eindruck erweckt, der den Sinn des
Betrachters suggestiv in die immer kräftigende Wirk-
lichkeit der freien Hochgebirgsnatur versetzt.

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