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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 1.1890

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Janke, Richard Anton: Kunstgewerbliche Betrachtungen über die Tapete
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https://doi.org/10.11588/diglit.11255#0154
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Das „Fachblatt für Iniien-Dekoration" ist
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2022 der Post-Zeitungsliste eingetragen.

verbreitet in Deutschland, Vesterreich-Ungarn und der Schweiz.

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I. Äaßvgang. Narmstadt, 2§. Mugufl jS50. Nummev 16.

Nachdruck unserer Origmal-Artikel ist nur mit unsrer Erlaubnis; gestattet.

Aunflgewevöliche ^Metvachtungen üSev
die "Maxetr.

Von Rich. Anton Zanke.

man sich die Zustände vergegenwärtigt, in welchen die
peten-Jndustrie noch vor fünfundzwanzig Jahren sich be-
den, so wird man mit Recht staunen, welch' gewaltiger
Umschwung auf diesem für das Allgemeine so wichtigen Gebiete statt-
gefunden hat. Auf keinem Felde der Kunst-Industrie ist wohl eine
ähnliche Entwickelung nachzuweisen, wie bei der Tapete. Eine Periode
nach der andern hat die alten Formen durchbrochen, und von wenigen
Erzeugnissen der Industrie kann man wohl wie von der Tapete sagen,
baß sie so recht ein Kind ihrer Zeit ist. Niemals hat es ein größeres
Publikum für die Tapete gegeben, als in unsrer Zeit, nie hat ein
größerer Einfluß auf die Gestaltung der Tapete stattgefunden, als
von Seiten eben dieses Publikums.

Kam in früheren Zeiten die Tapete, wie sie auch gerade gestaltet
sein mochte, fast ausschließlich nur bei den höheren Schichten der Ge-
sellschaft zur Anwendung, so ist dieselbe in den letzten Dezennien Ge-
meingut des Volkes geworden. Namentlich seitdem die Einführung
des Maschinendruckes die Massenproduktion ermöglichte, hat die
Tapete — immer breitere Bahnen annehmend — auch größere Kreise
gezogen und sich ihren Weg bis in die entlegensten Dörfchen gebahnt.

Und doch kann man trotz der enormen Fortschritte, die gemacht
worden sind, noch lange nicht behaupten, daß die Tapeten-Jndustrie in
Allem Das geworden ist, was sie sein will und soll: eine malend
dekorative Kunst!

Sind auch in den besseren Artikeln künstlerische Fortschritte, und
War mitunter recht bedeutende, nicht zu leugnen, so sind doch bei den
geringeren Tapeten vielfach Verwirrung und Geschmacklosigkeit noch

immer am Platze, ja man kann sagen, daß dieselben mit Ausdehnung
der Konkurrenz eher zu- — als abgenommen haben.

Ich kann die Ansicht verschiedener Theoretiker, welche uns fort-
während an die Renaissance binden wollen, mit der weisen Lehre,
daß wir dadurch auch der Konkurrenz des Auslandes wirksamer ent-
gegen treten können, nicht theilen. Nein, auch andere, diesem
Stile nichts »gehörige Must er h aben ihreBerechtigung!
Tapetenfabriken sind eben keine staatlich unterstützten Anstalten, welche,
wenn dieselben wegen allzu stilvoller und künstlerisch dnrchgeführter Ar-
beiten ein Geschäft nicht gemacht haben, den nöthigen Zuschuß aus der
Staatskasse erhalten. Hier muß eben jeder Fabrikant, seinem Absatz
und seiner Spezialität entsprechend, möglichst gangbare Muster
sich zu verschaffen suchen, auch wenn dieselben nicht immer seinem eignen
Geschmack oder den streng künstlerischen Anforderungen entsprechen.

Allein, betrachten wir uns einmal die mittleren und kleineren
Muster, im Geschäftsmunde das „tägliche Brod" genannt. Gerade im
vorgenannten Artikel wird noch sehr viel geschmackloses und ungereimtes
Zeug, welchem sogar jeder ästhetische Werth abgesprochen werden muß,
geliefert und letzteres daher in keiner Weise dazu angethan ist, den
Kunstsinn im Volke zu fördern.

Vergesse man dabei nicht, daß der größte Theil des Publikums
kein künstlerisches Verständniß besitzt, hingegen lediglich von dem Grund-
sätze ausgeht: Je bunter, desto lieber. Mit diesem letzten Faktor
rechnet daher auch Fabrikant und Händler.

Fassen wir eben erwähnte Muster einmal näher in's Auge! Da
ist die Zeichnung eine so unklare und zerrissene, oft ohne richtige Ver-
theilung der Massen, daß von einer dem Auge wohlthuenden Wirkung
des Musters keineswegs die Rede sein kann; dazu kommen noch eine
Menge bunter Farben, ohne daß dieselben auch nur im Entferntesten
zu einander stimmen. Das Muster wird tapezirt; eine Figur ist an
der Wandfläche überhaupt nicht mehr zu unterscheiden, — wir sehen
weiter Nichts, als einige bunte Flecken, gerade, als ob man einen Pinsel
einmal in Roth, das andere Mal in Blau usw. eingetaucht und hiermit
die Flächen bespritzt hätte.

Hat die Tapete hier ihren Zweck erfüllt? — Gewiß nicht!
 
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