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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 5.1894

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Reimann, Franz: Die Zimmerdecke mit besonderer Berücksichtigung ihrer Bauart
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https://doi.org/10.11588/diglit.11721#0096
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Seite 68.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

Mai-Heft.

ursprünglich lediglich Konstruktionsdecke. Sie bestand aus den
starken Konstruktionsbalken, welche mit ihren Enden auf den an
der Wand hinlaufenden Tragbalken auflagen, und dem darüber
gelegten Fußboden. Das war die primitivste Art der Balkendecke.
Die Balken lagen entweder quer oder lang, die Tragbalken liefen
nicht selten an allen vier Wänden herum. Nun ging man daran,
die Decke zu dekoriren; da die Balken zur Konstruktion nöthig
waren, so mußte sich die Dekoration hüten, die Balken zu schwächen,
man begnügte sich nieist damit, den Balken die scharfen Kanten
zu nehmen, später gab man ihnen auch ein Profil, nicht selten
setzte man auch gedrehte Rosetten daraus. Zn vielen Fällen
wandte man auch Malerei an. Die Tragbalken stützte man durch
oft sehr dekorativ gehaltene Stein- oder Holzkonsolen. Das Loch,
das über den Tragbalken entstand, verdeckte man mit einem schräg
liegenden Brett; den Uebergang vom Balken zur Deckenschalung,
also dem Fußboden des nächsten Stockwerkes, bildete gewöhnlich

der quer durch das Zimmer ging und durch Säulen, Karyatiden,
Konsolen usw. gestützt wurde. Der Unterzug ist auch heute noch
ein sehr beliebtes, aber auch sehr dankbares Motiv, das sich in
der mannigfaltigsten Weise verwerthen läßt. Lag über der Decke
ein untergeordneter Raum, so wurde der Unterzug zum Gberzug,
an welchen die Balken angehängt wurden.

Die Gothik ging schon sehr frühe daran, die Decke, da starke
Profilirung, überhaupt Schwächung der Balken ausgeschlossen
war, mittelst Farben zu dekoriren. Man arbeitete besonders mit
intensivem Blau und Roth, überhaupt recht saftigen dem dunkelen
Holztone entsprechenden Farben, wohl auch mit Gold- und Silber-
bronze, und hat damit herrliche Effekte erzielt. Man bedeckte
den Plafond theilweise oder ganz mit farbigen Wappen und
Schildern, heraldischen Adlern, naturalistischen Ranken usw. Ein
hübsches Beispiel dafür ist die Decke im Rittersaale des Schlosses
Tochem. Besonders die Tyroler Gothik liebte es, den ihr eigen-

Abbildung Nr. Y20. Empfangs-Halle in drp Villa Franz von Schönthan. Arch. Schilling L Graebner, Dresden.

ein Kehlstoß. Diese Decke hatte freilich ihre Nachtheile; erstens
hörte man dadurch, daß inan über den Balken nur die dünne
Fußbodenlage hatte, jedes Geräusch, das in dem einen Stockwerk
gemacht wurde, auch in dem anderen und zweitens bekamen die
Bretter und Balken durch die Hitze, die sich immer unter einer
Decke ansammelt, leicht Sprünge und Risse, durch welche dann
Staub und Schmutz der oberen Etage auch in die unteren drang.
Um dem abzuhelfen, griff man später dazu, daß man, genau
wie man es heute noch macht, zwischen die Balken kurze Bretter
legt und den Raum zwischen diesen und dem Fußboden mit Sand,
Schlacken usw. ausfüllte. Man verkleidete später die Balken mit
Brettern, die man nun beliebig mit Schnitzereien versehen konnte,
ohne die Balken zu schwächen, doch war die Sache, wenn man
zu weit ging, immerhin bedenklich, da ja doch der konstruktive
Karakter gewahrt bleiben sollte. Liefen die Balken mit den Lang-
seiten parallel, so unterstützte man sie ein- oder zweimal, je nach
der Länge des Zimmers mittelst eines Unterzugs, eines Balkens,

thümlichen Flachornamenten, die sie auch auf die Decke übertrug,
durch das Färben des Grundes mit Blau und Roth eine größere
Wirkung zu sichern. Die Renaissance ging nun endlich soweit,
die Decke ganz unabhängig von der Konstruktion zu bauen; man
verschalte die Kvnstruktionsdecke und schraubte nun daran die ganz
für sich gebaute Dekorationsdecke. Dies ist auch die Art, wie wir
heute unsere Holzdecken bauen. Diese Bauart gab nun auch dem
Konstruktör der Decke größere Freiheit, in vielen Fällen begnügte
man sich, die glatte Verschalung mittelst flacher Leisten, mit denen
man die verschiedensten geometrischen Figuren bildete, zu dekoriren
und das Ganze dann wohl mit Malereien zu bedecken. Wollte
man aber doch eine Balkendecke markiren, so konnte man die
Balken, sowie die dazwischen entstehenden Felder bald größer,
bald kleiner machen, man war nicht mehr so streng an die Lage
der Balken gebunden, man erlaubte sich Varianten, die dann später
dazu führten, daß man endlich bis zur italienischen Kassettendecke kam.

Anfangs bildete man, indem inan die Balken nach zwei
 
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