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Das Kunstgewerbe in Elsaß-Lothringen — 1.1900-1901

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Seder, Anton: Ein Dokument deutscher Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.6476#0253
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Prof. A. Seder: Ein Dokument deutscher Kunst.

giltiger alter Vorbilder aller Stilperioden,
bei deren Nachbildungen sich der Kunst-
handwerker die verloren gegangenen
Techniken wieder aneignen konnte, ferner
durch Errichtung von Kunstgewerbeschulen,
in denen junge Leute für das Kunsthand-
werk herangezogen wurden, sowie durch
reiche, oft sehr gediegene Publikationen
kunstgewerblicher Richtung, an denen
sich die besten Künstler, Fachleute und
Kunstgelehrten beteiligten und so dem
Kunstgewerbe Mittel an die Hand gaben,
welche dem Wiedererblühen desselben
den grössten Vorschub leisteten. Wer gut
ausgestattete Bibliotheken von Kunstge-
werbe-Museen kennt, weiss auch, welche
Schätze da aufgehäuft sind. Das ganze
Können und Wissen auf den verschieden-
sten Gebieten des Kunstgewerbes aller
Zeiten wurde uns in den prächtigsten
Reproduktionen vorgeführt, und es ist
natürlich sehr naheliegend, dass diese alten
Vorbilder Anregung gaben, im Geiste des
Alten Neues zu schaffen. Ein Bedürfnis
nach einem ganz neuen Stil war nicht
vorhanden, da besonders die Technik
erst wieder mühsam erlernt werden musste.
Durch den Umgang mit den alten Formen
wurde der Geschmack der leitenden
Künstler und durch diese wieder das
Publikum auf die alten Stilarten hinge-
wiesen, und wurden besonders in Deutsch-
land und Oesterreich, von den fünfziger
bis Anfangs der neunziger Jahre des
vorigen Jahrhunderts, von der Romanik
und Gotik angefangen bis zur Empire-
zeit, diese Stilarten periodenweise Mode.
Aehnlich war es in Frankreich und in
England, nur wurden dort die für das
Land charakteristischen Stile kultiviert.

Neben diesen am Gängelband der
alten Stile gehenden Neuschaffungen war
eine ganze Reihe von Künstlern bemüht,
durch Hinweis auf die Naturformen vorerst
das Ornament frei von altem Einfluss zu
gestalten. Dieselben Formen auf die Ar-
chitektur und das Mobiliar zu übertragen,
missglückte an dem zu wenig technischen
Können und der geringen Geschmacks-
bildung der Kunsthandwerker.

Erst auf der Wiener 1873 Welt-
ausstellung , der 78er und 89er Pariser,
ganz besonders aber auf der Weltaus-
stellung 1893 in Chicago nahmen diese
Bestrebungen festere Gestalt an und
erstreckten sich auch auf die Architektur
und das Mobiliar. Das Gebäude der
Fischereiausstellung dort war ein sehr
gelungenes Beispiel, moderne Architektur
mit Natur formen zu dekorieren.

In England waren diese Bestrebungen,
durch Owen Jones angeregt, seit Ende
der fünfziger Jahre nie stillgestanden, und
hatte sich Anfangs der neunziger Jahre
bereits ein neuer Stil, das sogenannte
«Early English» entwickelt. Anlehnend an
die Architektur und Dekorationsweise der
im Lande heimischen Stilperioden wurde er
durch Hereinziehen neuer Formen, welche
zum Teil aus den englischen Kolonien
stammen, zum Teil auf einem gründlichen
Naturstudium basieren, zum grössten Teil
aber aus dem modernen Bedürfnis des
stets mobilen, Sports- und reiselustigen
Engländers entstanden sind, herausge-
bildet. Charakteristisch durch Leichtbeweg-
lichkeit, einfache aber praktische Formen,
verbunden mit orientalischer Farbenfreu-
digkeit und sanitären Rücksichten, ist
dieser dem Bedürfnis angepasste Stil
vor allem ein Abglanz modern engli-
schen Lebens. Ausserdem geht er mit
den Bestrebungen der modernen engli-
schen Malerschulen engstens Hand in
Hand und erhält durch sie einen hohen
künstlerischen Reiz.

In Deutschland war von diesem stetigen
Vorwärtsschreiten auf allen Gebieten des
Kunstgewerbes in England, mit Ausnahme
der englischen Tapeten und des soge-
nannten Chippendale Möbels, nur ganz
wenig bekannt. Ebenso wenig bekannt
waren verschiedene amerikanische Werke,
welche, im englischen Sinne gehalten, im
Laufe der achtziger Jahre erschienen
waren und die ganze Richtung ziemlich
zum Ausdruck gebracht hatten.

Da erscheint mit einem Mal eine
englische Zeitschrift, reich und originell
illustriert, welche klar und deutlich Einblick
 
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