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Schichtswissenschaft gelegt. Er verdiente es somit, nicht als Erzähler oder
gar als Logograph, sondern als ein um die Aufdeckung historischer
Wahrheit bemühter Historiker bezeichnet zu werden, auch wenn die
Durchführung manche Wünsche offenließ.
III. 1. 4 Der ionische Dialekt - ein Hindernis jur die Schullektüre?
Da Herodot sich hauptsächlich in Konkurrenz zu Xenophon, Lysias und
auch Arrian behaupten mußte, erwies sich insbesondere sein von der
klassischen attischen Norm abweichender ionischer Dialekt für viele
Gymnasien als bedeutender Hinderungsgrund für eine schulische Lek-
türe, da Herodots Dialekt für die Kenntnis des Attischen schädlich sei:
"Würde Homer und Herodot nur ein halbes Jahr allein gelesen, so würden
die attischen Formen bald gänzlich aus dem Gedächtnisse ent-
schwinden."* * 83
Den Herodot-Befürwortem schien dieser Vorwurf insbesondere deshalb
nicht gerechtfertigt zu sein, da Homer trotz seines epischen Dialekts der
am meisten gelesene Schulautor war. Schon 1848 bemängelte Gustav
Volckmar diesen Zustand: "Freilich ist wohl sein (sc. Herodots) ionischer
Dialect für viele Schulmänner ein Grund gewesen, ihn nicht in die Gym-
nasial-Lectüre aufzunehmen. Aber wenn wirklich nur die Kenntnis des
reinen attischen Dialekts ... der Zweck und Grund des griechischen
Studiums auf den Gymnasien gewesen wäre, dann dürfte man auch den
Homer nicht lesen. Und gerade so unentbehrlich als dieser ... scheint mir
auch Herodot."84 Und noch im Jahre 1870 weist Heinrich Stein im Vor-
wort zu seiner vielbenutzten Textausgabe85 auf diese Problematik hin:
"Möge sie (sc. die Ausgabe) ... auch dazu beitragen, daß der Autor die
ihm gebührende Stellung neben Homer in der Schullectüre, sowohl der
gemeinsamen als der privaten, wieder erhalte, eine Stellung die ihm ein
ebenso unfruchtbarer als einseitiger Atheismus ... zum Vortheil eines
Xenophon geschmälert hat."86

oo
Bericht über die Gymnasiallehrerversammlung in Oschersleben vom 30.8.1857
(1858), S. 50 f.
84 Gustav Volckmar (1848), Sp. 1058
85 Die sechste Auflage erschien im Jahre 1901 und wurde 1962 im unveränderten
Nachdruck als siebte Ausgabe herausgegeben.
86 Heinrich Stein (1870), S. IV
 
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