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Kirchner, Thomas
L' expression des passions: Ausdruck als Darstellungsproblem in der französischen Kunst und Kunsttheorie des 17. und 18. Jahrhunderts — Mainz: von Zabern, 1991

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https://doi.org/10.11588/diglit.72614#0021
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Die Kunst als Wissenschaft

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vorzulegen, die Möglichkeit verstellte, hier dirigierend einzugreifen. Es erschien nun
in ihrem Namen eine mit programmatischem Anspruch versehene Schrift, die nicht
ihren Vorstellungen entsprach, die sie sogar als gegen sich und ihr Anliegen gerichtet
betrachten mußten.
Félibiens Kunstbegriff mit seiner Praxisabgewandtheit erklärt sein Desinteresse,
aus den Conférences praxisorientierte, im künstlerischen und akademischen Alltag
anwendbare Regeln zu destillieren. Im Vorwort zum 1666 erschienenen ersten Band
seiner »Entretiens sur les vies et sur les ouvrages des plus excellents peintres anciens
et modernes« war er noch deutlicher geworden. Dort bezweifelte er überhaupt die
Möglichkeit und den Sinn, (Kunst-)Praxis durch Regeln zu bestimmen:
»S'il y a un moyen pour faire davantage paroistre les parties d'un tableau, pour leur don-
ner plus de force, plus de beauté et plus de grace; c'est un moyen qui ne consiste pas en
des réglés qu'on puisse enseigner, mais qui se découvre par la lumiere de la raison, et où
quelquefois il faut se conduire contre les réglés ordinaires de l'art.«
(Wenn es ein Mittel gibt, die Teile eines Bildes vorteilhafter erscheinen zu lassen, ihnen
mehr Kraft zu verleihen, mehr Schönheit und mehr Grazie, dann ist dies ein Mittel, das
nicht in lehrbaren Regeln besteht, sondern das sich durch das Licht der Vernunft offen-
bart und bei dem man sich manchmal von Vorstellungen leiten lassen muß, die nicht
mit den gängigen Regeln der Kunst in Einklang stehen.)28
Mit dem allgemeinen Verweis auf die raison und auf den génie des Künstlers war
den Akademikern wenig gedient. Sie benötigten gerade für den Bereich der Ausbil-
dung festumrissene Regeln. Deren Ausarbeitung war ein wesentliches Ziel der Con-
férences, was 1669 noch einmal im Zusammenhang mit der Kritik an dem von Féli-
bien herausgegebenen Band betont wurde29. Dieser Aufgabe, der erst einige Jahre
später Henri Testelin nachkam, entzog sich Félibien.
Um die Fortsetzung der Publikation der Conférences nicht zu gefährden, gleich-
zeitig aber auch eine Wiederholung der Mängel des ersten Bandes zu vermeiden,
schlug Le Brun am 25. Januar 1670 ein verändertes Procedere zur Veröffentlichung
vor. Danach sollte die Kontrolle der Académie verstärkt und die Einflußmöglichkeit
des Herausgebers Félibien stark beschnitten werden. In diesem Kontext wiederholte
Le Brun noch einmal die Position der Académie zu Sinn und Ziel der Conférences:
». . . Monsieur Le Brun a proposé qu'aprèz tant d'éxélens discours que l'on a faict dens
les Conféranse présédente, il estoit nésessair d'en receuillir les fruits et tirer de se travail
les matières quy se peuvent establir en présepte pour l'instruction de la jeunesse et la

28 André Félibien, Entretiens sur les vies et sur les ouvrages des plus excellents peintres anciens et
modernes, 5 Bde., Paris 1666-1688, Bd. 1, Préface, o.S.

29 »... [Colbert] exortant la Compagnie de continuer ses soins dans lesditz exersise, pour en establir
des présepte utilz à l'éducation des estudians.« (... [Colbert] ermuntert die Vereinigungen ihren
Bemühungen bei besagten Untersuchungen fortzufahren, um Vorschriften festzulegen, die zur
Erziehung der Studenten geeignet sind.) Procès-verbaux, op. cit. (Anm. 7), Bd. 1, S. 339.
 
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