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Kissling, Hermann
Das Münster in Schwäbisch Gmünd: Studien zur Baugeschichte, Plastik u. Ausstattung — Schwäbisch Gmünd, 1975

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https://doi.org/10.11588/diglit.7132#0098
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Er muß in den Gewölbebau des Langhauses um 1505—1510 eingegriffen haben. Das
wird im folgenden darzustellen sein443.

Burkhart Engelberg und das Gewölbe des Langhauses

Nur je einen Satz haben Otto Schmitt444, A.-Nägele445 und H. Creutzfeldt446 für die
Beschreibung des Langhausgewölbes übrig. Nägele spricht von Netzgewölben,
nach Creutzfeldt sind in den Seitenschiffen Netzgewölbe (über die Bezeichnung
der mittleren Gewölbe schweigt sie sich aus) und bei O. Schmitt sind es „die rei-
chen Netz- und Sternrippen der gotischen Spätzeit". Letztere Wendung wäre dem
Chorgewölbe angemessen.

In Wirklichkeit sind im Langhaus weit weniger Rippen den Gewölbeschalen
unterlegt als im Chor. Die Netzgewölbe der Langhaus-Seitenschiffe reichen nicht
an die Kleinzelligkeit der Sternnetzgewölbe des Chorumganges oder gar dessen
Mittelschiffes heran, überdies zeichnen entgegen der Chorsituation die Maschen-
flächen im seitlichen Langhaus eine sechsseitige Binnenfigur, die von Randrippen
getragen wird. Hier sind die Jochgrenzen noch deutlicher zu erkennen, noch deut-
licher im Langhaus-Mittelschiff, wo die Rippen ausschließlich von Kapitellen auf-
steigen. Kein Netz verschleiert die Jochgliederung, sondern eine Sternfigur, an
Maschengliedern aufgereiht, ist jedem breitrechteckigen Joch voll einge-
schrieben447.

Von den Figuren abgesehen ist am Langhausgewölbe noch zu bemerken, daß
die von den Parlern in die Scheidmauern eingebundenen Rippenansätze (wie im
Chor) etwa zwei Meter weit herausgeführt wurden. Ihre Diagonalrichtung war
wohl für ein Kreuzrippengewölbe gedacht, keinesfalls für Dreistrahlrippen mit
paralleler Führung, wie es Peter Parier erstmals im Chor des Veits-Domes ver-
wirklichte. Diese Rippenstümpfe wurden beim Gewölbebau zu den damals übli-
chen doppelt gekehlten Rippen überarbeitet, und das zuweilen recht grob. Ein
Knick an den Verbindungsstellen der aufsteigenden Rippen läßt einen ursprüng-
lich etwas weniger gebauchten Verlauf des Gewölbes erkennen. Diese Führung
hätte mehr Licht in das Gewölbe gebracht und somit auch eine größere Eindeutig-
keit und Faßbarkeit des oberen Raumabschlusses, letztlich eine Verdeutlichung
des Hallencharakters bewirkt.

Das großfigurige Sterngewölbe des Mittelschiffes folgt nicht der Tradition der
württembergischen Bauschule, die mit engmaschigen Gewölbemustern die Joch-
grenzen dekorativ zu überspielen trachteten. Hier ist ein Muster gebraucht, das
stilistisch an Vergangenes erinnert. Von Reduktionen weiß die Zeit um 1500 mehr-
fach. Auch in der Baukunst wurde sie von einem Großen inszeniert: von Burkhart
Engelberg.

Die (erneuerte) Bauinschrift am Nordwestportal von St. Ulrich und Afra in Augs-
burg nennt ihn nicht nur einen „Vilkunstreichen Architectoren", sondern auch
einen „schadhafter gezarke grossen widerbringer". Einen solchen Mann hatte
Gmünd um 1500 dringend nötig! Sicherlich wußte man dort von seinen Leistungen,
war er doch hervorragend in Gmünds Diözesanstadt tätig, 1493—1507 mit dem
Ulmer Münster befaßt, 1495 und in den Folgejahren mehrfach in Nördlingen, 1503
zur Renovierung des Schlosses Helfenstein in Geislingen, 1508 in Heilbronn, alles
Städte, mit denen Gmünd engsten Kontakt hatte 448. Man halte sich auch vor Augen,

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