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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 6.1908

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Heft 5
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Werdandi
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https://doi.org/10.11588/diglit.4705#0211
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ULRICH I1ÜBNER, WINTERLANDSCHAFT

SCHWARZ-WEISS-AUSSTELLUNG

Dieser dreimal deutsche Bund, in dessen Druck-
schriften ein elendes Deutsch geschrieben wird, hat
ganz bescheiden den Willen „zum Wiederwerden
des Deutschen". Durch die Kunst nämlich, durch
alle einträchtig vereinigten Künste soll der Deutsche
„wiederwerden". Um das zu erreichen beginnen
die Aufruft von Kern und Schale des Lebens und
der Kunst zu sprechen; und natürlich dann auch
von Gehalt und Form, von Kunstgefühl und Tech-
nik als von grundverschiedenen Dingen, die nur
etwas miteinander zu thun haben. Es sind

zu

Kunstprofessoren die so reden! Sodann schiesst
man von allen Seiten mit dem Wort d'ecadence
und versetzt den franzüselnden Kunstrichtern, die
Manet und Delacroix höher schätzen als Baluschek
und Brandenburg, Seitenhiebe. Es wird der Kunst
energisch ein „Zurück" zugerufen. Zurück zum
Guten, Wahren, Schönen, zum Grossen, Seelen-
vollen und Deutschen; zurück zum Idealismus und
Individualismus fort vom Materialismus, vom Na-
turalismus, vom schamlosen Realismus. Die Kunst

soll „wieder" ein „Kulturfaktor" werden. In der
Ferne winkt, in einem Idealstaat der Zukunft, das
berüchtigte Gesamtkunstwerk. Verinnerlichung,
Seelenkunst, Gemütskultur! verstehen Sie? Können
ist Unsinn, aufs Wollen kommt es an, auf ein
echtes, vaterländisches, urgermanisches Wollen mit
Eichenlaub und Schwertern.

Merkwürdig! ich verstehe immer Sauerbrei.

Henry Thode hat in seiner Festrede dann wieder
einmal dekretiert, was deutsch sei. Er kam ungefähr
darauf hinaus, der Deutsche sei unter den Völkern
dieser Erde der einzige tüchtige und anständige
Kerl. Vor einem Parterre von befrackten Herren
und dekolletierten Damen hat dieser Oberkon-
sistorialrat, der das Rednerpodium für eine Kanzel
und die Kanzel für eine Komödiantenbühne hält,
von der Anspruchslosigkeit des deutschen Wesens
erzählt und hat die dichtgedrängten Gehirne unter sich
mit Phrasen wie aus einer Giesskanne begossen. Und
Stürme des Entzückens hat dieser skandierende Ger-
mane mit dem französischen Vornamen entfacht.

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