Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 13.1915

DOI Heft:
Heft 3
DOI Artikel:
Waldmann, Emil: Krieg und Schlacht in der Kunst, [1]
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.4714#0133

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
PAOLO UCCELLO, SCHLACHT VON S. EGIDIO
LONDON, NATIONAL GALLKRY

es stellt eine Episode dar, ebenso wie die Illustra-
tionen im Kugler, die auch nie ein Ganzes geben,
sondern immer nur möglichst kleine Ausschnitte
aus einem solchen Ganzen.

Man wird, wenn man die Kunstgeschichte rück-
blickend überschaut, die Bemerkung machen, dass
das Gleiche überall der Fall ist, nicht nur in der
modernen Malerei. Man könnte ja sagen, der mo-
derne Stoff zwinge zu einer möglichst weitgehenden
Beschränkung, angesichts der riesigen Ausdehnung
der modernen Schlachtfelder, die ja selbst von der
obersten Kriegsleitung nicht als Ganzes mehr über-
sehen werden können, sondern „überahnt" werden
müssen. Aber auch in weit zurückliegenden Zeiten,
wo von solcher Ausdehnung noch nicht die Rede
war, haben es die schöpferischen Künstler immer
so gehalten. Mit aller Kraft strebten sie nach der
Freiheit vom Gegenstand, und anstatt bestimmte
Schlachten darzustellen, gaben sie vielmehr die
Illusion von Schlacht, von Kampf, von Aufruhr
und Getümmel schlechthin, getreu jener von Degas
formulierten Empfindung, die sagt: „Eine Menge
stellt man nicht mit 5000 Personen dar, sondern
mit fünf," jene Empfindung, die seit ältesten
Zeiten das Merkmal europäischer Kunst gegen-
über den Asiaten ist und die schon in archaisch-
griechischer Zeit Kampfszenen immer heroisch in

Einzelthaten auflöste. Wenn die Assyrer und Ägypter
die Schlachten ihrer Könige durch eine endlose
reliefmässige Häufung von Menschenmassen aus-
drückten, denen sie nur ihren einen König gegen-
überstellten, so haben die Europäer im Sinne eines
sowohl ethischen wie künstlerischen Gleichgewichts
den Kampf als ein Duell aufgefasst, heroisch-sym-
bolisch, wie in der Literatur bei Homer, wo die
entscheidenden Dinge doch immer Zweikämpfe sind.
Als der uns dem Namen nach unbekannte griechische
Maler, von dessen Schöpfung wir in dem Mosaik
der Alexanderschlacht im Neapeler Museum eine
Kopie haben, daran ging, den Entscheidungskampf
bei Issos zu malen, gab auch er ein Duell der Heer-
führer und gab die Schlacht der Massen mit ein
paar Andeutungen, wogende Massen, aus denen man
nichts vom Stand oder vom Ausgang der Schlacht
entnehmen könnte, wenn nicht die scharfen Linien
der in den leeren Raum starrenden Lanzen die
Bewegung der fliehenden Perser andeuteten; dazu
einige episodenhafte Details, die dann für zwei Jahr-
tausende zum eisernen Bestände aller Kampf bilder
gehören — herumliegende Waffen, ragende Lanzen
und das berühmte ganz verkürzt in den Tiefenraum
hineingestellte vom Rücken gesehene Pferd, —
Dinge, die über Uccello und Lionardo bis zu Velas-
quez' „Lanzas" ihr Leben weiterführten.

116
 
Annotationen