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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 13.1915

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Heft 3
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Hermann Schmitz, Berliner Baumeister
vom Ausgang des achtzehnten Jahrhunderts.
Verlag für Kunstwissenschaff. Berlin 1914.

Dieser stattliche Quartband erscheint in einer Zeit,
in der der Klassizismus einmal wieder alle Herzen ge-
fangen nimmt. So kommt sein Inhalt den Sympathien
des Tages entgegen. Aber er vermehrt nicht jene Kate-
gorie von Bilderbüchern, die von einer verlegerischen
Spekulation ins Dasein gerufen, eine rasch zusammen-
gestellte Reihe von Photographien ,,um 1800", unter
notdürftiger Begleitung einigen Textes, vorführen. Das
Buch von Hermann Schmitz stellt die Frucht jahrelanger
wissenschaftlicher Beschäftigung mit den Baumeistern
der vorschinkelschen Zeit dar. Es entspringt einer Zu-
neigung des Autors, die fest in ihm wurzelte, längst ehe
der Verleger da war: ein heute bei kunstgeschichtlichen
Publikationen nicht häufiger Fall. Wie segensreich er
für das Resultat ist, spürt man aus diesem Buch, seinen
Abbildungen und seinem Text.

Die Abbildungen geben einmal neue, ausgezeichnete
photographische Aufnahmen erhaltner Denkmäler, dar-
unter zahlreiche wenig oder gar nicht bekannte Innen-
ansichten aus Schloss Friedrichsfelde, Freienwalde, Paretz,
Haus Machnow und andere. Auch bekannten Dingen
wie dem Brandenburger Tor hat das Objektiv zu über-
raschenden Effekten verholfen. In den sonst für den
Photographen unzugänglichen Räumen der Schlösser
Charlottenburg, Bellevue und dem niederländischen
Palais durften ausnahmsweise für diese Publikation Auf-
nahmen gemacht werden.

Die Physiognomie der märkischen Architektur von
175:0—1810 wird vervollständigt durch Darstellungen
zerstörter oder nur im Entwurf existierender Bauten
nach Originalzeichnungen und zeitgenössischen Stichen.
Hier kommt neben Langhans, Gentz, David Gilly, Krähe,
vor allem Friedrich Gilly zur Geltung, der in seinem
28 jährigen Leben nur weniges zu bauen Gelegenheit
fand, dessen bedeutendste Ideen auf dem Papier ge-
blieben sind. Von seinem Friedrichmonument werden
zum ersten Male auch Detailaufnahmen publiziert.
Ebenfalls in mehreren Zeichnungen erscheint sein andres
Hauptwerk, das Schauspielhaus, das dem Nationaltheater
des Langhans sowohl wie dem spätren Schinkelschen
Bau durch den genialen Impuls der Konzeption
überlegen ist. Der überragenden Persönlichkeit Frie-
drich Gillys huldigt das Frontispiz des Buches durch
die Wiedergabe seiner Porträtbüste von Schadow.

Der Text geht dem Umfang, noch mehr dem Gehalt
nach weit über das hinaus, was sonstin einem reichenTafel-

werk als Einleitung geboten wird. Wie die Zusammen-
stellung der Abbildungen, so ist auch diese gedrängte
Fülle thatsächlicher Mitteilungen nur einer umfassenden
Kenntnis des Materials zu danken. Aus zahlreichen
literarischen Äusserungen der Künstler selbst vernehmen
wir die architektonische Gesinnung der Zeit.

Angesichts der Schöpfungen von Knobelsdorff, Gon-
tard, Unger, mit denen die Entwicklung einsetzt, betont
Schmitz, wie sehr bisher die historische Systematik
mit ihrer Scheidung in „barocke" und „klassizistische"
Richtung den lebendigen Sachverhalt getrübt habe.
Unger und Gontard stellen, von der antiken Manier
der literarischen und theoretischen Kreise völlig frei, in
ihren Werken „eine lebendige Verbindung von malerisch-
plastischem Barockempfinden mit der strengern klassi-
schen Richtung" dar. Und auch bei den Meistern nach
1786, deren Wirken im einzelnen skizziert wird, Erd-
mannsdorff, Langhans, David und Friedrich Gilly, dem
jungen SchinkeJ, Gentz, Catel, Genelli, Krähe, besteht
kein wesentlicher Gegensatz zu den Tendenzen der
voraufgegangenen Generation: „das Raumgefühl des
Barock und das moderne Streben nach Klarheit der Kon-
struktion und Zweckmässigkeit verbinden sich in diesen
Werken aufs Feinste." Einer zusammenfassenden Cha-
rakteristik folgt ein Abschnitt über die Entwürfe für
das Denkmal Friedrichs des Grossen: In den Bemühun-
gen um die Lösung dieses idealen Gedankens, den man
nur durch ein architektonis ches Monument würdig
verkörpern zu können glaubte, kommt die Baugesinnung
der Zeit am deutlichsten zum Ausdruck. Schmitz weist
nach, dass die Anregungen für die Denkmalsideen aus
Paris kamen, für den Entwurf des Gentz wie für das
„Nationalheiligtum", das Friedrich Gilly auf dem Leip-
ziger Platz errichten wollte. Wenn der Leser an andren
Stellen des Schmitzschen Textes vielleicht sagen kann,
dass die Darstellung unter der drängenden Fülle des
Stoffes leidet — obwohl ein beträchtlicher Teil inter-
essanter Funde in die Anmerkungen zu den Tafeln ver-
wiesen ist —, in den lapidaren Sätzen, mit denen die
„Revolutionsarchitektur"in ihremZugzumUngeheuren,
Grossen charakterisiert wird, kommt das heroische Ge-
fühl der Zeit mit suggestiver Gewalt zum Ausdruck.
Dabei hat Schmitz Distanz genug, um nicht von den
pathetischen Gefühlen seiner Helden mit fortgerissen
zu werden. Er erkennt, dass in dieser überschweng-
lichen Epoche die Klarheit der architektonischen Vor-
stellung erlahmen musste, dass der Untergang des archi-
tektonischen Empfindens nahe war.

A. Grisebach.

DREIZEHNTER JAHRGANG. DRITTES HEFT. REDAKTIONSSCHLUSS AM 19. NOVEMBER. AUSGABE AM I. DEZEMBER NEUNZEHNHUNDERTVIERZEHN
REDAKTION: KARL SCHEFFLER, BERLIN; VERLAG VON BRUNO CASSIRER IN BERLIN. GEDRUCKT IN DER OFFIZIN

VON W. DRUGULIN ZU LEIPZIG
 
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