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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 13.1915

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Heft 11
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Burchard, Ludwig: Werke alter Kunst aus Berliner Privatbesitz
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https://doi.org/10.11588/diglit.4714#0556

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scheiden, dass man misstrauisch und missvergnügt
wird.

Aber selbstvorgrösserenKünstlernamen machen
die Restauratoren nicht Halt. Ja, je berühmter ein
Maler ist, um so mehr hat er von dem Übereifer der
Restauratoren zu leiden. Ein Glück für Franz Hals,
dass er zur Zeit, als Wilhelm Gumprccht das kleine
Herrenbildnis erwarb (Nr. 54; Abb. S. 52 1), noch
nicht so beliebt war. Wäre die kleine Holztafel,
die jetzt als das küstlichste Kleinod der Ausstellung
bei Cassirer wirkt, heute ans Tageslicht gekom-
men, so hätte vermutlich ein liebevoller Restau-
rator erst noch seinen Mut daran gekühlt. Und
Hals wäre es nicht besser gegangen als es Rem-
brandt heute noch allzu oft ergeht. Die beiden
klassischen Rembrandtbilder der Sammlung Ro-
bert von Mendelssohn, die eine Zierde der Aus-
stellung bilden, haben eine merkwürdig geteilte
Aufnahme erfahren. Bei dem Selbstbildnis vom
Jahre 1655 erinnerte man sich daran, dass die
Münchener Pinakothek eine Wiederholung des
Bildes besitzt, die seit Generationen den Anspruch
macht, das Original zu sein, obwohl eine genaue
Prüfung zu dem Ergebnis kommen muss, dass in
München nur eine Kopie hängt. Man denkt also
daran, ob nicht auch das Bild bei Mendelssohn
eine Kopie sein könnte; denn der ergreifende, un-
mittelbar erschütternde Eindruck bleibt aus, den
sonst ein später echter Rembrandt in uns erweckt.
Man sagt ja; dann nein; dann wieder ja, bis man
schliesslich aus der Respektszone der ehrwürdigen
Leinwand heraustritt und kritisch die Erhaltung
betrachtet. Da löst sich das Rätsel mit einem
Male: die Malerei ist spiegelglatt; alle Erhöhungen
der Farbkruste sind plattgedrückt; alle vom Alter
schwarz gefurchten Rillen des Pinselstriches sind
geglättet. Geleckt von oben bis unten. Das Bild
ist gebügelt worden! — Geht man dann zu dem
zweiten grossen Rembrandt der Sammlung Men-
delssohn, dem ebenfalls späten Bilde der Hen-
drickje Stoffels (Abb. S. 5 2 2), so beobachtet man
dieselbe Thatsache. Das ganze Relief der Farb-
schicht ist durch Bügeln eingedrückt worden. So
wunderbar diese Farben und Töne, diese Geistig-
keit und dies dämmernde Gefühl zu einem spre-
chen, die Sensationen der Farbfläche, die an das
Tastgefühl appellieren, die den Impuls des Pinsels
spüren lassen, sie bleiben aus. Diese Rembrandt-
bilder wirken wie von einer Glasscheibe überdeckt.

Zum Glück ist es nur mit einem Teil der
ausgestellten Bilder ebenso bestellt wie mit den

Mendelssohnschen Rembrandts oder gar wie mit
dem erwähnten Bilde von Antonis Mor. So kann
zum Beispiel den aus der Sammlung von Kauf-
mann vorgeführten Bildern nur das Zeugnis aus-
gestellt werden, dass sie die vorsichtigste Behand-
lung aufweisen. Die deutschen Bilder dieser in
Deutschland an Wert einzig dastehenden Privat-
sammlung sind bereits besprochen worden; aber
auch bei den beiden altniederländischen Stücken,
dem Ecce homo von Bosch (allerdings vielleicht
nur eine Replik) und dem kleinen Madonnenbild
des, als Maler seltenen, Lucas von Leyden ist der
Erhaltungszustand gut. Und die einzige italienische
Tafel aus der Kaufmannschen Sammlung, die hier
ausgestellt ist (Nr. 33), hat zwar im Laufe der
Jahrhunderte Beschädigungen davongetragen, ist
aber pietätvoll in Stand gesetzt.

Ebenso erfreulich ist auch der Eindruck der
zweiten Sammlung, die durch Eigenart und Wert
der Stücke auf der Ausstellung hervortritt, der
Sammlung Gumprecht. Der unvergleichliche Franz
Hals dieser Sammlung ist bereits erwähnt. Eine
grosse Seltenheit ist dann noch der Männerkopf,
der als Arbeit des Meisters von Flemalle gilt
(Nr. 73; Abb. S. 518). Knapp ist dieser Kopf
in den Rahmen komponiert; die Haut wirkt
rötlich und nackt; das rote Gewand zeigt feste
straffe Farbe. Der ganze Kopf steht vor dem
blassen saftgrünen Hintergrund wie eine bemalte
und lackierte alte Holzplastik; ist aber doch Ma-
lerei; durch und durch gemalte Fläche.

Schliesslich seien, und nicht zuletzt ihrer guten
Erhaltung wegen, aus Gumprechts Sammlung kurz
erwähnt: der heilige Jesusknabe vom sogenannten
Meister des Todes Mariae und die kleine weib-
liche Halbrigur von Scorel. Gut erhalten ist auch
das Mädchenbildnis, das Ghirlandajo zugeschrieben
ist und dem berühmten Namen an künstlerischem
Werte kaum etwas nachgiebt. Von den zahlreichen
kleinen Holländern der Sammlung seien der Ter-
borgh und der Wouwermans wenigstens genannt.
Geradezu ein Musterstück von Unberührtheit ist
die Flachlandschaft von Jan van Kessel, die sogar
noch alle Lasuren unter einem alten Firniss auf-
weisen kann. Auch die kleine Brouwerskizze der-
selben Sammlung erfüllt die Ansprüche, die man
an diesen berühmten Namen stellt.

Mit diesen Bemerkungen ist der Umkreis der
wertvollen Bilder, die auf der Ausstellung zu
sehen waren, nicht erschöpft. Zwei Gedanken
waren es, die uns besonders nahe gingen. Das

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