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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 17.1919

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■ nicht

dass

CezanneundHodler. Einführungin die Probleme
der Malerei der Gegenwart von Fritz Burger. Mit 195
Abbildungen. 2 Bände. Zweite Auflage. Delphin-Ver-
lag, München.

Der Art, wie in dieser Zeitschrift die Kunst be-
trachtet wird, steht die Systematik Burgers sehr fern-
Der vor kurzem Gefallene, der als Lehrer und Schrift-
steller seine Jünger und Jüngerinnen zu faszinieren
verstand und der in Süddeutschland einen nicht ge-
ringen Einfluss ausgeübt hat, tritt in seinem Buch für
manches ein, wofür auch wir uns einsetzen; dennoch
ist zwischen seinem und unserem Wollen eine Kluft,
die sich nicht ausfüllen lässt. Wir glauben nicht, dass
man Kunst überhaupt mit Erfolg so betrachten kann,
wie Burger es gethan hat. Dieser Ton einer enthu-
siastischen Spekulation, diese Überredungskünste mit
Hilfe einer verquollenen philosophischen Terminologie,
dieser Gehirnrausch, diese Fähigkeit alles Sinnliche auf
Begriffe abzuziehen und sich dialektisch zu begeistern,
erscheinen uns um so bedenklicher, als es Merkmale
einer die ganze Zeit, die ganze Generation beherr-
schenden Denkform sind. Die Methode erscheint tief-
sinnig und ist doch nur eine geistige Mode. In Wahr-
heit wird mit dieser geschickten Rabulistik nichts be-
wiesen, wenn die, die sie meistern, zeitweise auch
grossen Zulauf haben. Wenn im Vorwort des Heraus-
gebers von Fritz Burger gar gesagt wird, er allein wäre
imstande gewesen, eine Systematik der Kunstwissen-
schaft, eine Feststellung der Grundsätze des künstleri-
schen Schaffens, des anschaulichen Denkens zu geben,
so ist das Unfug. Fritz Burger war — das auszuspre-
chen darf auch die Pietät vor dem Toten nicht hindern,
da seine Bücher ja fortwirken — nicht ein klarer Kopf,
sondern ein ziemlich konfuser, sein Auge war mehr
eingestellt auf Stilmerkmale als auf Qualitätsunter-
schiede und er stand nicht fest auf einem Platz, wie
ihm Anlage und Willen anweisen, sondern wurde wild
umhergetrieben vom Wirbel der Zeitbegebenheiten.
Die Männer — und Frauen —, die wie er über Kunst
reden und schreiben, richten unendlichen Schaden an.
Um so mehr, als diese Raisonneure nicht leicht angreif-
bar sind, weil sie vom Schild ihres sittlichen Wollens
gedeckt sind. Dem rechten Kunstfreund ist schon der
Titel dieses Buches ärgerlich. Cezanne und Hodler
sollte man nicht auf einen Plan nebeneinander stellen.
Wer es thut, dem fehlt es an kritischem Zartgefühl.
Und dann diese Art der Beweisführung! Ich schlage
willkürlich den Textband auf und schreibe einen Absatz
ab, worauf das Auge eben fällt. Es ist die Rede von
Kirchner: „Durch die Wesensähnlichkeit alles Einzelnen
verliert dieses (das Absolute) seinen individuellen Wert,
und das überindividuelle Untermenschliche ist das wesen-
und gefühllose indifferente Nichts, weder gross noch
klein, noch freudig oder traurig, das Überpersönliche
will hier in der Übermenschlichkeit sich mitteilen. Es
giebt hier keinen Zweck und Willen, der Baum ist

keine abtrennbare Individualität, die uns in ihrer Form
Rechenschaft gäbe über die Ursächlichkeit ihres Wachs-
tums, so wenig als der menschliche Körper. Nichts
soll hervorgehoben, nichts gedeutet werden. Jedes Ich-
erlebnis, jede Erkenntnis erscheint als eine Täuschung,
das Leben ohne Anfang und Ende sich in eine Wüste
zu verwandeln, in der das einzig Objektive jenes un-
teilbare Nichts ist, in das wir uns verlieren, das uns
alle ähnlich, gleich macht, wie der Tod. Nur in der
Verneinung aller Tradition und der Rückkehr zum
wünsch- und trieblosen Schauen will diese Erkenntnis
ihre Gestalt gewinnen."

Und so weiter. Abstrakte Allgemeinheiten dieser
Art lassen sich vor Werken des Genies und vor alber-
nen Kinderzeichnungen mit dem gleichen Schein von
Recht aussprechen. Das heisst: sie sind vor Kunst-
werken ganz wertlos, so sehr sie auch das haben mögen,
was Worringer neulich die „Qualität der Gesinnung"
genannt hat. Es bleibt die Hoffnung, dass die Bücher
im Sinne Fritz Burgers, womit wir überschwemmt wer-
den, im Laufe einiger Jahre verschwinden, dass es nicht
mehr lange dauert, bis die Toten selbst ihre Toten be-
graben, und dass die Gaben und Kräfte, die jetzt spe-
kulativ verthan werden, einem nützlicheren Thun und
Denken zugute kommen. Karl Scheffler.

Hermann Sörgel: Einführung in die Archi-
tekturästhetik, bei Piloty und Löhle, München 1918.

Alle ästhetischen Unterhaltungen über Architektur
als Baukunst leiden unter der Unklarheit der einzelnen
Begriffe, wie Inhalt, Form und Zweck, unter der un-
deutlichen Abgrenzung dieser im Werk untrennbar
vereinigten, in der Theorie deutlich zu scheidenden
Kategorien.

Um so bemerkenswerter ist Sörgels Buch, in dem
mit philosophisch geschultem Geist Scheidung und Ord-
nung geschaffen wird.

In einem historischen Teil stellt Sörgel die gesamte
Literatur der Architekturästhetik zusammen, ein
Quellengebiet, das in dieser Zusammenstellung und
kritisch getroffenen Anordnung sich als unerwartet
reichhaltig erweist.

In einem theoretischen Teil geht der Verfasser von
der angedeuteten Dreiheit aus, die ungefähr mit folgen-
den Sätzen charakterisiert wird:

„Das spezifisch Künstlerische der Architektur wurde
aus ihrer Freiheit, welche über das rein Zweckliche
hinaus seelische Empfindungen auslöst, entwickelt.
Da aber die Baukunst zugleich Technik ist, müssen sich
die technischen Gegebenheiten in autonomer Erschei-
nungsform mit dem Gefühlsgehalt verbinden, und da
endlich diese Erscheinungsform die einzig mögliche
Inkarnation von Seelischem und Verstandesgemässem
ist, so kommt als dritte ästhetische Potenz bei der

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