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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 18.1920

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Heft 4
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Scheffler, Karl: Friedrich Ahlers-Hestermann
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https://doi.org/10.11588/diglit.4750#0157
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FRIEDRICH AHLERS-IIESTERMANN, FRANZÖSISCHES DORF. 1914

gegangen ist - was die Generation vorher noch
nicht wagte und der ein neuer kosmopoli-
tischer Zug eigen ist. Er malt ganz anders als
alle seine Vorgänger, aber er paßt geistig und
künstlerisch doch gut zu ihnen. Ihm sitzt Ham-
burgische Tradition im Blut; er steht zwar in
einem gewissen Gegensatz zum konservativen
Geist Hamburgs, schon weil er ein Pionier ist,
aber nur so etwa, wie Thomas Mann im Gegen-
satz zum Lübeckischen steht: dieser schreibt und
jener malt bei aller Freiheit, als zählten sie unter
ihren Vorfahren ein halbes Dutzend Senatoren
und Bürgermeister.

Auch im weiteren Sinne ist Ahlers-Hestermann
ein Enkel. Nicht ohne Ursache hat er so ausführ-
lich über das Leben und Treiben jener Gruppe
deutscher Maler geschrieben, die sich vor dem
Krieg im Cafe du dorne in Paris zusammengefunden
hatte. Er selbst ist in jeder Weise ein Mitglied
dieses Kreises. Das heißt: er gehört als einer der
Bewußtesten zu jenen Malern, die in der Mitte
etwa dastehen zwischen dem Impressionismus und
den neueren Stiltendenzen, die es sich zur Auf-
gabe machen, die Überlieferungen einer großen
Zeit lebendig zu erhalten und vorsichtig weiter

zu entwickeln, die den Expressionismus nicht ab-
lehnen, ihm aber sehr vorsichtig und kritisch
gegenüberstehn, und die vor allem eines wollen,
dieses eine aber mit einer produktiven Sensibilität:
schöne Malerei. Wie fast alle seine Genossen aus
dem Cafe du dorne ist Ahlers-Hestermann ein
aktiver Eklektiker. Er liebt offenbar Renoir, den
Großmeister schöner Malerei, aber er berührt
sich auch mit Henri Rousseau, und leise sogar
mit dem Kubismus, er weiß Matisse zu schätzen,
doch verehrt er auch Feuerbach, er steht da, wie
schwankend zwischen einem impressionistischen
Renoir-Rokoko und einem zarten modernen Klas-
sizismus. In seiner Malerei ist ein Proud'honzug.
Vieles ist darin aufgenommen, alles aber ist geistreich
verarbeitet. Er ist Mitglied eines Malerkreises, den
man „die Angeregten" nennen könnte. In seiner
Kunst waltet ein klarer Verstand, er gibt sich
Rechenschaft über jeden Pinselstrich, wird da-
durch aber nur um so interessanter; denn die
Überlegung wird getragen von einer künstlerischen
Genußkraft, die nie aussetzt. Er ist eine echte
Malernatur, weil er in jedem Augenblick Maler ist;
aber er lebt mehr mit der Kunst als mit der Natur,
mehr mit der Form als mit dem Leben. Sein

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