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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 24.1926

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Heft 7
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Friedländer, Max J.: Honoré Daumier
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https://doi.org/10.11588/diglit.7391#0303
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wieder, nämlich: den tiefen Ernst, die Intensität
der Vision, sowie die Unkleinlichkeit der Form.
Alle seine Geschöpfe sind ganz bei der Sache, was
sie auch immer tun, sind besessen. Sie sind un-
wirklich bei aller Illusion, die durch „richtige"
Zeichnung gesichert wird.

Daumier steht mit Ingres, Millet und Degas
bei den großen französischen Zeichnern, aber er
präsentiert die Vorzüge seiner Zeichenkunst nicht.
Man sieht nicht gute Zeichnung, sondern genießt
als die Folge guter Zeichnung festen Bau, Leben
und Bewegung.

Daumier bekämpfte bald diese Macht, bald jene
Narrheit, stritt für Pressefreiheit, verhöhnte den
satten Bürger, entlarvte die Korruption. Ob er das
Juli-Königtum mit grimmigem Spott verfolgte oder
das zweite Kaiserreich: das Politische ist nur Bei-
spiel und Sonderfall der allgemein menschlichen
Jämmerlichkeit. Daumier gehört zu den großen

Herzen, die schwer am Leben leiden, und zu
den starken Geistern, die das Leben ertragen, in-
dem sie es lächerlich finden. Was lehrt doch das
Schicksal des spanischen Ritters, dessen steile Figur
so oft vor Daumiers Auge auftauchte? Dem Men-
schen, wie er nun einmal beschaffen ist, bleibt
nur die Wahl, komisch am Boden zu kriechen oder
— gleichfalls komisch — im Flug abzustürzen. Und
diese tragische Wahrheit steht hinter allem, was
Daumier zu eigenem Genügen und zur Belusti-
gung seiner Zeitgenossen geschaffen hat.

In den Gemälden freilich sind Tragik und Ko-
mik verhangen und ins Lyrische gemildert. Senti-
mental aber oder theatralisch wird Daumier nie,
wenngleich sein Zeitalter ihn diesen Klippen zu-
trieb. Er bleibt aufrichtig, streng und menschlich,
verglichen mit Delacroix, Corot und Millet, von
denen jeder in seiner Weise an den Schwachheiten
der romantischen Periode teilnimmt.

HONORE DAUMIER, DIE HAUSMEISTERIN

AUSGESTELLT IN DER GALERIE MATTHIESEN, BERLIN
 
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