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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 24.1926

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Heft 11
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Cohn, William: Aus meinem ostasiatischen Reisetagebuch, [4]: Fahrten durch das Hochland von Dekhan
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https://doi.org/10.11588/diglit.7391#0461
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BELUR, K ES AVA-TEMPEL. INNERES MIT EINIGEN DER ZWANZIG SÄULEN UND PFEILER

Liebe, Tanz und Kampf-. Alles ist in leidenschaft-
licher Bewegung, nein nicht in Bewegung, son-
dern in orgiastischem Taumel! Die Plastik des
Dekhanstiles hat nicht mehr die klassische Großartig-
keit der Werke der Guptaperiode. Die Spätzeit
hat eingesetzt. Die Körperbehandlung ist realisti-
scher, das Spiel der Konturen weniger ausdrucks-
voll. Schmuck und Zierat drängen sich bis zur
Überladung hervor. Dennoch sind die Skulpturen
weit entfernt von der Nüchternheit und Oberfläch-
lichkeit der indischen Kunst der letzten Jahrhunderte.
Es erscheint sogar überraschend angesichts der Uber-
fülle der Skulpturen, ein wie hohes Niveau auf-
recht gehalten ist. Rein technisch haben wir wahre
Wunderwerke vor uns. Und den Meistern muß es
bewußt gewesen sein, daß sie individuelle Künstler
waren. Denn wiederholt setzten sie ihre Namen unter
ihre Schöpfungen, ein in Indiens religiöser Plastik
nur sehr selten beobachteter Vorgang.

Stunden und Stunden, vom kühlen Morgen
über die brennende Mittagshitze bis zum Abend,
wo man zu frösteln anfängt, Tag für Tag, weilten

wir bei den Tempeln, mit Fernglas und Kamera
ausgerüstet. Immer wieder entdeckt man neue
eigenartige plastische Motive und neue Reize des
ornamentalen Schmuckes oder des Grundrisses. In
den verschiedenen Tageszeiten sind die Fassaden
kaum wiederzuerkennen. So verschiedene EfFekte
bringt die Beleuchtung hervor. In Belur beglei-
tete uns der recht unterrichtete Oberpriester des
Tempels und der Arzt des Ortes, der, Mitglied der
theosophischen Gesellschaft, seine Kranken nach
alten vedischen Prinzipien zu heilen versucht, in
Halebid waren wir allein. Als wir uns zur Ab-
reise rüsteten, wurde uns klar, daß die Zeit kaum
dazu hingereicht hatte, auch nur die Uberfülle
der Darstellungen zu betrachten und sich über die
sinnvolle Gliederung der Anlagen Rechenschaft zu
geben. Zum Glück beginnt die Regierung von Mysore
mit einer ausführlichen Publikation der Haupt-
denkmäler des Landes. Sie verdienen es nicht we-
niger, als die älteren Monumente Indiens, die bis-
her allein vor den Augen der europäischen Indo-
logen Gnade gefunden haben. (Fortsetzung folgt.)

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