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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 31.1932

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Heft 6
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Riemerschmid, Richard; Lamm, Albert: Wege und Irrwege unserer Kunsterziehung
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https://doi.org/10.11588/diglit.7616#0239

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den mit Gestaltungskraft Begabten sind nicht geborene Maler oder Bildhauer, dann sollten
aber auch unsere Schulen nicht so tun, als sähen sie ihre Hauptaufgabe in dem aussicht-
losen Versuch, sie „mit Hebeln und mit Schrauben" doch dazu zu machen.

II. Antwort von ALBERT LAMM

Was ich über die Riemerschmidsche Broschüre gesagt habe, „kann" nicht nur aus ihr
„herausgelesen" werden, sondern ist ihr entscheidender Inhalt. Ich habe diesem Inhalt
allerdings bewußt die Deutlichkeit gegeben, die Riemerschmid scheut.
Man lese aufmerksam Seite 23— 25.

Danach gibt es heute drei neue Schaffenskräfte: die Ingenieurkonstruktionen, die neue
Architektur und das Kunstgewerbe, und die „revolutionären" Kräfte der bildenden Kunst,
Kubismus und Futurismus. Letztere Bewegung hat sich „heute selber noch nicht begriffen,
namentlich nicht begriffen als Teilerscheinung". Aber diese drei Bewegungen finden sich
im Sinne Riemerschmids doch zusammen, was er eine innere Nötigung nennt. „Wie klein-
lich erscheint gegenüber einer solchen inneren Nötigung--das Einteilen in freie und

angewandte Kunst, in Kunstgewerbe und Industrie und Technik. Pedantenordnung!" Dieses
Zerfaseln aller Begriffe ist charakteristisch. Es ist notwendig für eine Theorie, die den
Tatsachen aus dem Wege geht. Denn in der Tat sieht die Sache ganz anders aus: der
Intellektualismus kommt im Technischen zu einer unbelasteten Auswirkung, zerstört aber
zunächst durch intellektuale Konstruktionen das intelligible Kunstschaffen.
Ich muß mich hier rücksichtslos aussprechen können.

Riemerschmid wollte Maler sein; wollte den Impressionismus „überwinden" und einen
„Stil" schaffen. Als das nicht ging, wurde er Kunstgewerbler. Als solcher hat er Wesent-
liches geleistet; geriet aber auf den Abweg, an die Notwendigkeit einer Diktatur Riemer-
schmid zu glauben. Riemerschmid beherrscht und übersieht das Ganze, eben „die" Kunst.
Er will eine Schule leiten, wo die Jugend von ihm auf ihre „Teilgebiete" überwiesen
wird. Er will aber Mißverständnissen vorbeugen und gibt zu, daß an dem Impressionismus
etwas ist. Nur „darf nicht angenommen werden, namentlich von den Schulen nicht, daß
diese neuen Randgebiete allein Bedeutung haben". Vielmehr fordert das Kunstge-
werbe (bzw. Riemerschmid): „Zuerst ist es selbstverständlich bei einem Bildauf bau, aus-
zugehen von den begrenzenden Linien, von dem gegebenen Formar, selbstverständlich
ist die ungezwungene Rücksicht, das Anschmiegen jeder schmückenden Zutat an den
Träger der Verzierung", usw. (S. 20); hier haben wir das Bild als kunstgewerbliches Bijou.
Aus der kunstgewerblichen Einheit soll eben das Bild abgeleitet werden.
Was Riemerschmid über das Naturstudium sagt, sind dem Sinne nach (so.veit eben seine
Betrachtungen überhaupt Sinn haben) Binsenwahrheiten; auch wir Älteren haben uns schon
als junge Akademiker über die Schwierigkeit der Frage unterhalten, was bei dem Natur-
studium zu echter Produktion führt und was nur eine ergebnislose Bemühung der Sitz-
gelegenheit ist. Was er dann scheinbar als eine erlösende neue Einsicht vorträgt, sind
allgemeine und leere, dabei leidenschaftlich herausgeschwulstete Wortgebilde, wie sie oben
nachzulesen sind. Daß das bisherige Naturstudium (das ich leider bereits arg vernachlässigt
sehe) abzuschaffen sei, betont er eindeutig wiederholt; S. 25 nennt er es verderblich und
Fähigkeiten zerstörend, S. 1 3 hindert es die Malerei an der Erreichung des Zieles. Den
Kohl auf S. 14 möge jeder selbst nachlesen. Wenn er einmal konkret zu sagen versucht,
wie er sich „ein viel ernsteres, leidenschaftlich sich hingebendes, zum Wesentlichen vor-
dringendes, die räumliche Form der Einbildungskraft einverleibendes Naturstudium" denkt,
so kommt dabei recht armseliges Zeug heraus. „Ein Modell--wird vorgeführt und
 
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