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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 31.1932

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Heft 12
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Scheffler, Karl: Neue Arbeiten von Gerhard Marcks: Ausstellung in der Berliner Galerie A. Flechtheim
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H. P.: Die Lübecker Werkgruppe
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https://doi.org/10.11588/diglit.7616#0477

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eine eigene Mischung von Ursprünglichkeit und Ableitung: etwas unkonventionell Mensch-
liches bedient sich klassizistischer Vorstellungen. Einer ähnlichen Mischung der Kräfte
begegnet man auch sonst. Die Kunst Mareks' lebt wie in einer Atmosphäre von Humanis-
mus; doch ist auch ein Ingrediens des Barbarischen darin. Man möchte von einem Adel
sprechen, der auf das skurril Primitive nicht verzichten will. Ein guter Lehrer war dem
Künstler offenbar der ausgezeichnete Richard Scheibe, vvahlverwandt fühlt Mareks sich
wahrscheinlich den archaischen Bildhauern Griechenlands, mittelbare, intellektuelle Lehrer
sind aber auch Rodin und Maillol geworden. Die weiche Lyrik der „Nymphenliebe",
in der sich eine kluge Formenberechnung mit verhaltener Sinnlichkeit paart, läßt an
Rodin denken; der große „Stehende Jüngling" verdankt dagegen Entscheidendes der
Arbeitsweise Maillols — und einiges vielleicht auch Adolf Hildebrand. Vor dieser Gestalt
spürt man deutlich die lange und angestrengte Arbeit; doch hat sie der Unbefangenheit,
der Frische des ersten Eindrucks nicht geschadet. Die Gesamtform wird reich durch das
Formen- und Flächenleben, durch das Leben des Lichts auf der Oberfläche. Der „Stehende
Jüngling" hat etwas von jener hölzernen Klassizität, die den Gestalten Hans von Marees'
eigen ist. Weswegen auch das Nebeneinander von Marees-Zeichnungen und Marcks-
Plastiken in der Ausstellung der Galerie Flechtheim recht glücklich wirkt. Die fest auf
ihren Sohlen ruhende Gestalt ist plastisch geschlossen, sie ist wie von einer unsicht-
baren Spirallinie umgeben. Die Form ist klar, sie ist klärend und bleibt doch geheimnis-
voll. Eine Arbeit, über die sich zu sprechen lohnt, vor der Gesetzliches der plastischen
Arbeitsweise demonstriert werden kann, und womit sich das Kunstinteresse zu seinem
eigenen Besten eingehend beschäftigen sollte.

Das zart-kräftige Talent dieses Bildhauers verdient überhaupt achtungsvolle Rücksicht:
ihm ist Freiheit nötig, weil es gewährte Freiheit nie mißbrauchen wird.
Reizend ist die groteske Anmut, die archaische Eleganz der kleinen „Flötenbläserin";
und die „Jungfrau" veranschaulicht, wie Mareks das Melodische eines Körpers empfindet.
Das Bildnis Rudolf Wildenhains hat jenen leisen karikaturalen Zug, der nun einmal
zu einem guten Porträt gehört; die Form des Kopfes ist groß gesehen, charakteristisch
übersteigert und auch wieder nur angedeutet. Mareks berührt mit Treffsicherheit die leben-
den Punkte, doch übertreibt er nie — auch nicht in der Freude neuer Erkenntnis. Die
Zeichnungen endlich bestätigen den guten Gesamteindruck. Sie sind jung, frisch und
haben eine altmeisterliche Nuance. So skulptural sie sind, sie muten auch ein wenig an
wie romantische Geständnisse. Ein Hölderlinzug gibt dieser ganzen Kunst Bedeutung.
Das alles klingt vielleicht etwas uneingeschränkt. Es sollen aber die vorhandenen
Schwächen, es sollen vor allem die Gefahren eines gewissen Stilismus nicht verschwiegen
werden. Dem Gesamteindruck des Talents gegenüber wiegen die Einwände jedoch leicht.
Die Ausstellung weiß die Überzeugung zu kräftigen, daß die deutsche Plastik in Gerhard
Mareks eine ihrer persönlichsten und bildungsfähigsten Begabungen besitzt, und daß
diese Begabung ihren vorgezeichneten Weg bis zu Ende mit eingeborenem Verantwort-
lichkeitsgefühl verfolgen wird.

Die Lübecker Werkgruppe

Städte wie Lübeck, belastet mit Überlieferung und an der Peripherie gelegen, sind für
Museumsleiter so wertvoll wie wichtige Botschafterposten. Carl Georg Heises Barlach-
Plan, Flüge über die Ostsee "zu Münch oder Milles, seine Bemühung um das Zustande-

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