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M-. S1.

Berlin, den 2. Juli 1876.

XXIX. Jahrgang.


wochmkalmder.

Montag, den Juli.
In Berlin bricht unvermuthet ein Setzer-
Strike aus. Sämmtliche Tagesblätter werden
mehr oder minder stark dadurch betroffen. Alle
müssen, durch die Noth gezwungen, den Versuch
machen, sich einmal kurz zu fassen.
Dienstag, den 4. Juli.
Die .Germania' sieht sich genöthigt. ein
Paar sehr treffende Hey - Artikel auS bewährter
CaplanSsedcr vorläufig ungedruckl im Pult zu
lassen.
Mittwoch, den 5. Juli.
Die.unabhängige' officiöse Presse
sieht sich außer Stande, ihre fälligen, besonoers
guten und weitläufigen Reptil-Ergüsse absetzen
zu lassen.


Wachen käsender.
Donnerstag, den 6. Juli.
Die Börsenblätter sehen sich der Unmög-
lichkeit gegenüber, ihre neuesten, ungemein gründ-
lichen Erörterungen der Gründer-Proceß - Frage
dem Publicum darbieten zu können.
Freitag, den 7. Juli.
Die Local-Blätter sind in die unange-
nehme Notwendigkeit versetzt, ihre druckreifen
Artikel über den tollen Puthahn. daß merkwür-
dige Zusammentreffen und die Seeschlange vor-
läufig kaltstellen zu müssen.
Sonnabend, den 8. Juli.
Die berlinerLesewelt.zeitungsmüdc, wie
sie ist, fühlt sich veranlaßt, den Herren Setzern
ihren- tiefgefühlten Dank abzustatten durch den
wie sonst prompt erscheinenden und wie immer
.gesetzten' -
Kladderadatsch.

wocheiMill.

Mit dieser Nummer beginnt ein neues Abonnement auf den Kladderadatsch mit 2 M. 25 Pf. für In- und Ausland. — Wir bitte»
um rechtzeitige Erneuerung des Abonnements, da wir später nicht dafür einstehen können, die bereits erschienenen Nummern noch vollständig
nachzulicsern. — Einzelne Nummern, soweit dieselben noch vorräthig, ü 25 Pf. Die Verlagshandlung. ^.Ilvsinann L 6u. in Lerlir,.




ruhn von langem Tagen
Mit wenigem Schagen
Die Parlamente aus;
Es schläft — oh wär's im Frieden
Inf ewig doch geschieden! —
Und träumt das hohe Herrenhaus.
Ulie still ist's in der Runde!
Acht, mit geschlossnem Munde
Liegt Lasker eingclullt;
Der Graf zur Lippe schweiget,
Dicht Kleist noch Brühl besteiget
In edlem Zorn das Rednerpult.
Windthorfl, einst so krakehlig,
Träumt heut gar sanft und selig
Ron künfl'ger Tage Lenz;
Er sicht im Traum ohn' Sorgen
Einziehn König Georgen
In seine alte Residenz.

Des heil'gen Roms Vertreter,
Herr Äugust und Herr Peter
Vom R eichen sperger Stamm,
Sind Schweigens heut beflissen.
Ob auch ihr Herz, zerrissen,
Beklagt der Zeit DliserLam.
Schorlcm er-Älst und üantak,
Run jammert, daß den Landtag
Ihr nicht mehr um euch seht!
Dicht dürft ihr frei mehr schallen
Und nicht mehr Reden halten
Ins liebe Volk, das — draußen steht.
Ihr aber, Rationale,
Die jüngst zum Leichcnmahle
Herr Bennigsen berief,
Genießt des Sommers Gaben.
Und das, was ihr begraben,
Beklagt, ich bitt' euch, nicht zu tief!

Laßt ruhn sie alle, alle,
Die stolze Ruhmes Halle,
Und die Provinz Berlin,
Die einst so heiß erflehte
Neuordnung auch der Städte,
Und Dresdens Zinscngarantie'nr
Laßt sie in Frieden schlafen
Sammt allen Paragraphen
In ihrer stillen Gruft,
Bis hell die Wahltrompete
Durch Dörfer rings und Städte
Zum Juferstehungstage ruft!
Dann mögt die Kräft' ihr messen
Und alles Leid vergessen,
Drob heut ihr traurig seid;
Dann wird nach Sorg' und Mühen
Im Winter euch erblühen
Des Jahres wahre Rosenzeit.
 
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