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Lieber Pankraz!

Die Sache ist nchmlich die: Meine Dörthc picsakt mir immerz», daß
ich mir nicht populär genug mache, daß ich an dem offenbaren Leben mir
nicht hervorragend befleißige, ätzctera u. s. w-, worüber ich mir jeden ge-
schaffenen Tag emigrircn muß. Indessen, das wolle» wir denn doch mal
sehen, nchmlich wenn die vermuthliche Auflösung des Reichstages ein Fett
akompli werden thnt, worum soll ich mir denn nicht als Candidat for dem
neuen Reichstage cinpfchlen, indeni ich schon '» paar mal auf dem bunten
Bocke gewesen bin. um die zeitgemäßigte» parlamentarischen Ausdrücke und
Redensarten zu bclcine». Und solltest mir man blos mal sehen, wenn ich
sor dem Spiegel stehe und mir parlamentarisch übe, wo mir dieses lassen
lhnt: „Entfamigtcr Kujon, ollen Ekel, slcinpöttigcn Hund, Lumpcnkretnr,
Knasterbart, Drähnbartel." auf so'ne Parlamentarsche Forschichkeitcn verstehe
ich mir schon aus verschämte» Indessen, wo habe ich mir woll zu haben,
daß sic mir auch richtig wählen? Das frage ich Dir. Könntest Du nicht
meinswegcn so'n bischen de» politischen Alligator machen in unser» Wahl-
kreise, mit Versammlungen, Bier, Reden und so'nen Spijök? For dem
Porto und die vcrmuthlichen Auslage» wollt’ ich voll garantircn, indessen
sor Deine persönlichen Knoche» natürlichcmang nicht. Also probirc Dir das
mal, und brauchst Deine Meinung in einer Mcstkuhlc zu vergraben nicht
Ichanicriich zu sein, iiibem dieses bong Tong, rehspcktivc liaur gvüt ivescn
thnt, woniit ich Dir begrüße als Dein parlamcntarschcn Freund

FwinricH Kcrrnel', Rcntjch.

I'. L Bei die verflossene Witterung
lebt einen als die Stange im Para-
diese, indem man Staub fressen thnt,
und das „auf dem Bauche Krausen"
kan» auch noch kommen, soll ein
vatikanscher Herr gesagt haben.

Lieber Hinrik!

Eine bekanntliche Redensart fon Sprüchwort besagt: Wer in die Rettet
greifen thnt, verbrennt sich die Knövcls. Indessen jcdcnnoch, ein jeden nach
seinem Schacköng, u» fragst mir, wo Du dieses woll anfießcst, fonwcgen das
Abgcorntm werden, worüber ich mir sehr wnnncrn muß. indem dieses doch
ein offenbares bekanntes Rezept wesen thnt. Nchmlich Tu infitirst sors
erste Mal so'n Zeitungsschreiber mit Bier, nicinswegen auch Köhm, un
slängclst Dir damit pöh a pöh an ihm ran Denn vcrpnblizirst Du nächsten
in der Zeitung ein Artikel wodrin Tu mit eine,» aiisverschahmten Ackich
verzählen thust, daß Her So nn so (dieses muß ein bekannten respektablen
Man» sein) mal ei» silbernen Löffel gestohlen hat. Wcnii Tn was er-
sindcn kannst, was noch dämlicher sein thnt, desto besser. Möglich, daß stc
Dir ein Prozeß an dem Halse hängen, indessen Deine Wahl zum Reichs-
tage is sicher, un kannst ein berühmten Mann werden un Dir for 20 Fcnnige
Angtrch sehen lasse». Un willst Du Dir dabei auch hören lassen, so i»
dieses kein Kunststück, indem Tu inan immer zu sagen brauchst: Un er hat
doch 'neu silbernen Löffel gestohlen, ich weiß cs fon die olle Schulten,
un die Meiers che nn die Müll er sch c haben cs aiich gesagt, un die
Picpenbrinkschc kann cs beschwöre» - sollst mal sehen, wo die Fox
popiili „Bravo" brüllen thnt, woniit ich Dir begrüße als Tein bcrad-
slagenden Freund

’Nancratius, Ockonomiker.

Dammberg i. Meklnbrg, in bissen
Wonncniond, was for der Wonne
man recht dröge is, »n soll mir
blos mal wnnncrn, ob der Papst
ein höflichen Gegenbesuch in Berlin
machen ivird.

Ein Maimärchen.

Es war einmal ein Kanzler, ein mächtiger Herr, der hatte lange Beine
und trug einen großen Schnurrbart und ivar ein ivackercr Haudegen. Im
übrigen aber stand er seinem Vorgänger bedeutend nach und hatte cs vor
allem nicht gelernt, der Volksvertretung gegenüber den richtigen To» an-
znschlagcn. „Er ist ein braver und tapferer Mann — sagten die Weise»
de« Reichstages — aber ein mäßiger Mnsikante". Vor Jahren hatte der
Kanzler einmal das große Wort fallen lassen: „Die Masse thut's nicht".
Run ivollte er jetzt von dem Reichstage die Mittel zur Vergröberung des
Heeres haben und sagte zu den Volksvertretern: „Wir haben zwei böse
Nachbarn, vor denen müssen wir »ns wahren. Darum gebt mir mehr
Soldaten". Die Volksvertreter aber lachte» und antworteten: „Die Masse
thut's nicht", lind so laut er jetzt auch rief: „Die Masse muß es bringen!"
sic beivilligten nicht, was er forderte. Er stritt mit ihnen vom November
bis gegen den Mai, aber ivcder die strenge Kälte des Winters noch die
laue Luft des Lenzes vermochte ihre Herzen zu rühre»; sic waren nicht zu
bessern und blieben bei dem ersten Worte des Kanzlers: „Die Masse thut’s
nicht!" Das brachte den Kanzler oft schier zur Verzweiflung. So verzweifelt
saß er auch am letzten April in seinem einsamen Zimmer: er ivar nämlich
Junggcscll, lebte also nicht z» zweien oder zu mehrere», wie ein Gatte oder
ein Vater das zu thun pflegt. Einsam saß er da und trank Maiwein am
letzten Abende des wanketniüthigcn Monats nnd dachte: „Wenn du dich
doch in eine Hexe verwandeln und nach dein Blocksberg ziehen könntest!"
Aber er vcrlvandclte sich nicht, und so trank er im Aerger ein Glas nach
dem andern, bis er in seinem Sorgcnstuhl einschlicf. Da drang um Mitter-
nacht durch das Schlüsselloch in de» hohen Saal eine ganze Schar von
Hexen, die.kamen vom Blocksberg, wo sic mit dem Teufel Walpurgis ge-
feiert hatten, und suchten nun auf ihrer Heimkehr die armen gitten Menschen
zu necken. Sic umtanzten den wein- und sorgenschweren Kanzler und neckten
ihn in toller Hexen Weise, und wenn die eine ihm znrief: „Jage den Reichstag
zum Teufel!" dann flüsterte die andere: „Nur nicht auflösen, nur nicht auf-
löscn!" Und der schlummernde Reichskanzler fühlte sich sehr unglücklich.
Endlich setzte sich das schmuckste Hexlein auf seine» Schoß, legte den Arm
um seinen Nacken, hauchte einen Kuß auf seinen Schnurrbart nnd sprach
leise: „Es gibt nur einen Weg zum Glücke: heirathen mußt du. Ninnn
mich zum Weibe, laß uns die Hochzeitsreise machen und Reichstag Reichstag
fein". Da athmctc der Kanzler tief ans und erwachte nnd fühlte sich sehr
erleichtert. Und er beschloß, dem Rathe des Hexleins zu folgen, sobald er
die hübsche Kleine unter den Lebenden würde gefunden haben.

A. Wenn nun Singer ihm damals gepumpt hätte, ivaö dann?

B. Das ist sehr schtver zu sagen, ganz sicher ist nur Eines.

A. WaS denn?

B. Daß Singer nichts wiedcrbckommcn hätte. .

Iudenhojen!!!

Ter Abg Ahlwardt erklärte
in der Sitzung der Ahlwardt-
C o inmissioii vom 2!). April, daß
ihm beim Absteigen von der Pferde-
bahn an seinem neuen eleganten
Anzüge eine Naht geplatzt sei und
zwar an peinlicher Stelle. Wie
wir ans bester Quelle erfahren,
beabsichtigt der Abg. Ahlwardt
eine Broschüre zu schreiben, die
betitelt sein wird: „Inden-

Hosen!" Die Angelegenheit soll
auch zum Gegenstand einer Inter-
pellation, rcsp. eines Antrages im Reichstag gemacht werden. Ahlwardt
wird die Nicdcrsctzung einer Commission beantragen, welche die übrigen
Nähte auf ihre Haltbarkeit prüfen soll. Die — natürlich nnreparirtc -
Hose wird er als Beweismittel auf den Tisch des Hauses niederlegen.

Wie das Dolli spricht.

„Haod non ost in aotis, non est in mundo“ — sagte Ahlwardt,
da führte er beständig seine Acten im Munde.

Auf die lateinische Ansprache des Führers der elsässischcn Pilger hat
der Papst in französischer Sprache erwiderte Die französischen Blätter
erkläre» das für sehr bcmerkcnswerth.

Unsinn! Natürlich bediente der heilige Vater sich der französischen
Sprache, weil er glaubte, daß die Pilger dieie eher vernehc» wurden als
die lateinische. Hätte er ctiva deutsch sprechen sollen? Nun ja, er versteht
etwa» deutsch, spricht cs aber nicht gern, aus sehr einfachem Grunde. Der
Papst hat das Unglück gehabt, bei einem Leipziger SchulamtScandidatcn
deutsch zu lernen, deshalb sächselt er stark und fürchtet mit seinem Deutsch
einen komischen Eindruck zu mache»

Selbst der antisemitische Professor Dr. Paul Förster sagt sich jetzt
von Ahlwardt los. Zum Glück gibt cs noch genug glaubensstarke Pastoren
nnd gcsinnungStüchtigc Landräthc im Wahlkreis Fcicdcberg-Arnswalde, die
treu zu ihrem Schützling stehen. Auch Pickcnbach ist noch da. Wenn er bei
. der Abstimmung über die Anträge der Ahlwardt-Commission abwesend
war, so geschah es, weil er an den Wassern Sprccbabels mit Weinen
| beschäftigt war.
 
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