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54

#3?




3um 1. Bpril

Über Deutschlands Rebenbügeln
Rauscht es wie von flölerflügeln,
Wenn der Srübüng niedersteigt.
Alte Glut schlägt neue Slammen,
Alle Gerzen stehn zusammen,
Und der blöde Gader schweigt.
Rlter spricht von jungen Laagen,
Und es klingt wie Geldensagen:
Gismarch!

Der aus totem Wust das Leben
Löste, der uns Kraft gegeben,

Was zersplittert, machtvoll band —
Unsrer Seele wachsen Schwingen,
Gören wir Des Damen klingen,

Der uns gab ein Vaterland;

Der verschollne Grötze weckte,

Der die Seinde stürmend schreckte:
Gismarck!

Sorgt, datz wie des Volkes Lieder
Geut und alle Zeiten wieder
Dieser klang das Gerz durchhallt!
Ob der Kleinheit schalem Jammer
Me vergitz der Lotenkammer,
Deutsches Volk, im Sachsenwald!
Gör's im Rauschen seiner Lichen:
Gleibe treu dem Slammenzeichen
Gismarck! p.w.

-- ~ V

U&f

Parlamentsbericht

von Moritz Krojankers feel. Erben G. nt. b. y., parlamentarischen -Spezial-Berichterstattern der

„Neuesten ^amotschiner Nachrichten"

Reichstagssitzung vom 1. April 2000.

Der Präsident eröffnet die
Sitzung mit dem Bemerken, das;
heute der Geburtstag eines ge-
wissen Bismarck sei, der früher
an 873% Neichstagssitzungen teil-
genommen habe, was die Herren
gewiß interessieren werde. Bis-
marck soll tot sein; ob dies richtig sei, lasse sich im Augenblick
nicht feststellen, da der Reichstagsregistrator erkrankt sei.

Auf der Tagesordnung steht der Gesetzentwurf über
die Zulasiung der fakultativen Erdbestattung.

Abg. Graf Lebenswarte: Der Gesetzentwurf greift
mit rauher Hand in die Empfindungen weiter Volkskreise.
Die Vorstellung, datz das Feuer die menschliche Seele von
den Schlacken des Leibes befreie, sei eine tiefreligiöse.
Gerade fromme Naturen würden durch die entsetzliche Vor-
stellung abgestotzen, datz der menschliche Leib nur ein
Dejeuner äinatoire für den Wurm bilde, der sich an ihm
den Magen verderbe, sodaß er sich vor Leibschmerzen
krümme, wenn er getreten werde.

. Abg. Düsselschmitt: Die Erdbestattung ist ein Vorstotz
gegen das Christentum. Sie ist eine bizarre modernistische
Laune, wie der Hosenrock. Der Hosenrock und die Erd-
bestartung gehören auf den Scheiterhaufen. Rur Juden und
Ketzer wollen sich begraben lassen; sie verdienen allerdings,
das; sie verfaulen.

Abg. Nachpicke: Bei uns soll jeder nach seiner Fasson
ins Jenseits kommen. Wer nach seinem Tode an der alten
Unsitte der Feuerbestattung festhalten will, der mag fest-
halten. Aber wer will uns zwingen, uns an den büreau-
kratischen Staub festzuklammern, der sich über dieses ver-
altete Institut gelagert hat? Wir sind moderne Menschen;
und wer modern ist, der hat das Recht zu modern. Darum
beantragen wir folgenden Paragraphen: Jeder Deutsche hat
das Recht zu verfaulen.

Abg. Soffmann: Der Gesetzentwurf geht mir nicht
weit genug. Das Feuer, das eine menschliche Leiche ver-
zehrt, hat seinen Beruf verfehlt. Jeder Deutsche mutz

gezwungen werden, sich begraben zu taffen; den Zeitpunkt
hierfür bestimmt der Zentralvorstand meiner Partei. Nieder
mit dem Feuer! Es lebe die Erde!

Der Gesetzentwurf geht an eine Kommission, wo ihm
ein würdiges Begräbnis bereitet werden wird.

Darauf folgen Petitionen-. Der Bund für Vaterschutz
petitioniert um Verleihung des. politischen Stimmrechts an
Männer. Die Petitionskommission empfiehlt, über die Tages-
ordnung zur Petition überzngehen.

Berichterstatter Abg. Held (Pantoffel): Die Peti-
tionierenden leiden anscheinend an Größenwahn. Wir
Männer werden von den Frauen gewählt, wir sind an die
Instruktionen gebunden, die wir an der Brust unserer
Wählerinnen einsaugen. Das ist ein gesunder Zustand.
Aber welche Anarchie würde eintreten, wenn wir uns selbst
wählen sollten! Die modernen Männeremanzipations-
bestrebungen gehen zu weit. Welche Auswüchse sie zeitigen,
geht daraus hervor, datz sich neulich sogar ein Mann auf
der Straße in einem Hosenrock gezeigt hat. Wir sagen mit
dem Dichter: Wer des Mannes weiblichen Sinn nicht ehrt,
der ist auch seinen Pantoffel nicht wert.

Abg. Schulze-Deiningen: Es ist Zeit, datz den ge-
knechteten und getretenen Männern endlich die Gleich-
berechtigung mit den Frauen Zugestanden wird. Auch ein
Mann kann etwas leisten; ich erinnere nur an Thomas Mann.
Seitdem den Männern ihre bisherige Lebensaufgabe, die
Kindererzeugung, abgenommen und vom Reich den staatlichen
Vezirkscouveusen übertragen ist, suchen sie ein anderes
Feld, um ihre brachliegenden Kräfte zu betätigen. Geben
Sie uns das aktive Wahlrecht! Wir verlangen nur eine
Viertelstimme pro Kopf, während jede Frau vier Stimmen
behalten sott. Die Frauen nennen uns immer Vieh: nun
wohl, so wollen wir Stimmvieh sein.

Reichskanzler Fürst von Holmann Bethweg: Ich
kann mich namens der verbündeten Regierungen über die
Petition nicht äußern; meine Frau ist bei ihrer Putzmacherin
und dann beim Zahnarzt; ich bin deshalb ohne Instruktion.

Der Reichstag beschließt die Petition in den Papier-
korb zu senken, wo er am tiefsten ist. m.Fr.
 
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