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Deutschland an Frankreich

Nie traurig blickst du heute in die Runde,
Du Fröhlichste sonst in der Völker Reigen!
Ich sehe schinerzerfüllt das Haupt dich neigen
Und steh' erschüttert bei der grausen Kunde.

Dir schlug das Schicksal eine schwere Wunde,
Doch magst du stolz der Well die Wunde zeigen.
G laß des alten Grolles Stimme schweigen,
Denn groß und feierlich ist diese Stunde.

Da mag ein Volk sich mit dem andern einen,

Da ahnen wir der Menschheit hohe Ziele,

Nicht um die deinen geht es und die meinen.

No Menscheinverk zerbricht, als wär's im Spiele,
Wie klein muß aller Hader da erscheinen —,
Vorwärts und aufwärts, was auch immer fiele! w


Die Vervollkommnung des Berner Oberlands

(Aus dem Jahresbericht des Verkehrs Vereins Interlakcn für 1930)

w.r. Seitdem vor fünf Jahren der in Argentinien als
Millionär verstorbene Herr Ulrich Hüegli aus Thun den
Verkehrsvereinen des Berner Oberlands 35 Millionen
Franken hinterlasfen hat, ist mit Unterstützung der Kantons-
regierung das Berner Oberland zum Ideal der Reifenden
gemacht worden. Früher war alles doch noch sehr
primitiv.

Wie anders heute! Wer in Scherzligen den Dampfer
„Hüegli" besteigt, dessen Blick umfaßt ein Prachtstück der
vom Komitee zur Vervollkommnung des Berner Oberlands
geleisteten Arbeit. Das Seegestade zu beiden Seiten ist völlig
verwandelt! Es ist gelungen, dem Blick des Reifenden
eine tropische Küstenlandschaft vorzuzaubern! Mehr als
300 Palmen wiegen sich im Winde. Ihre Stämme sind
aus lackiertem Eisenblech, die Blätter aus täuschend be-
maltem Gummistoff. Auf den Zweigen der majestätischen
Bäume wiegen sich lebensgroße künstliche Papageien. Der
Seestrand ist mit weißem Kies bestreut, und liebliche Landes-
kinder in samoanischem Kostüm beleben die Szenerie. Einen
wunderbaren Eindruck macht der verbesserte Gipfel de?
Niesen. Vermöge einer im Innern des Berges angebrachten
Vorrichtung wird jedesmal, wenn ein Dampfer vorüberfährl,
durch mächtige, aus dem Gipfel aufsteigende Rauchwolken
und dumpfes, unterirdisches Rollen der Eindruck eines in
voller Tätigkeit befindlichen Vulkans hervorgerufen.

Die stäche Tallandschaft zwischen Thuner und Brienzer
See, das „Vödeli", ist in eine täuschend echte holländische
Landschaft mit Kanälen und künstlichen Windmühlen ver-
wandelt. Interlaken hat endlich die so lange vermißte
elektrische Straßenbahn erhalten, die es den Besuchern
erspart, die immerhin beträchtliche Strecke des Höhenwegs
zu Fuß zu gehen. Die Bahn fährt langsam mit Musik hin
und her. Der Wiesengrund, der sich vor dem Höhenweg
ausbreitet, ist in hervorragende Tennisplätze verwandelt,
auch ist hier die Landungsstelle für die Luftschiffe, die
täglich dreimal mit Musik um den Jungfraugipfel herum-
fahren und die Besucher zum live o'clock tea ins Cafe
Jungfrau-Kulm bringen, eine rasch beliebt gewordene
Attraktion. Der Jungsraugipfel, der bisher in dem so un-
künstlerischen einförmigen Weiß erglänzte und nur selten
das beliebte Alpenglühen darbot. wird abends durch eine
geniale Anlage in allen Farben des Regenbogens beleuchtet,
in Abwechslung mit künstlichem Alpenglühen. Eine entzückende

Neuerung bilden die dressierten Kühe, die auf den beliebtesten
Almen die ganze Saison hindurch ihre erstaunlichen
Evolutionen ausführen, unter der Anleitung von Toreadors
in echt spanischen Kostümen. Auf den Matten produzieren
sich im magischen Scheine der elektrischen Bogenlampen
Sennerinnen in den neuesten Nackttänzen, sodaß das feine
internationale Fremdenpublikum keine der gewohnten
Attraktionen vermißt.

Der Brienzer See ist mit großen Kosten in einen
täuschend echten norwegischen Fjord verwandelt. Echt nor-
wegische Dörfer und eine elektrische Mitternachtssonne be-
leben das wunderbare Bild, das den Besuchern des Berner
Oberlands eine Nordlandreise erspart. Nähert sich der Be-
sucher dem Gießbachfalle, so weiten sich seine Nüstern mit
Entzücken: der Fall ist stark parfümiert und verbreitet
während der Saison einen wunderbaren Geruch, der von
Zeit zu Zeit gewechselt wird.

Aber auch die Berggipfel sind in einer Weise moderni-
siert, die den Ansprüchen des verwöhntesten Reisenden
genügen dürfte. Auf der Scheid egg ist ein Operetten-
theater errichtet, in der Eisgrotte bei Grindelwald ist
ein Kabarett installiert. Der untere Grindelwaldgletscher
wird vermittels eines sinnreichen Verfahrens während der
Saison zum Teil in Vanille-, zum Teil in Himbeereis ver-
wandelt. In passender Höhe sind auf den ehrwürdigen
Bergriesen des Oberlandes „American Vars" errichtet, wo-
selbst alle Mixed Drinks zu haben sind. Aber auch für den
Bergsport ist in einer mustergiltigen Weise gesorgt. An be-
sonders gefährlichen Gipfeln sind Fangnetze angebracht,
sodaß beim Absturz Lebensgefahr garantiert ausgeschlossen
ist. Andere Gipfel sind durch Aufzug- und Festhaltungs-
vorrichtungen für Anfänger hergerichtet, auch find hier
die vorspringenden Ecken gepolstert und die Abgründe
mit Sägespänen ausgefüllt. Wer sich die Sensation
eines Absturzes verschaffen will (mit oder ohne Rettung
und Rücktransport ins Hotel bei Fackelschein), mag sich an
die Mitglieder des hierzu geschaffenen Führerkorps wenden,
die alles nötige besorgen: Hinaufführen, Abstürzenlasien,
Aufsinden, Verbinden und Heimiransportieren. Die Presse
hat zugesagt, jeden dieser Abstürze als echten zu behandeln.
Belegnummern werden gratis an jede Adreffe gesandt.
Durch diese Neuerung hat der Verkehrsverein alle Konkurrenz
in anderen Gebirgsländern aus dem Felde geschlagen.
 
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