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n

Klassisches

5 Die Stadt Tharlottenburg will eine große moderne
Badeanstalt erbauen, in der drei verschiedene Klassen von
Schwitzbädern verabreicht werden sollen. Der sozialdemo-
kratische Stadtverordnete Zietzsch sprach sich gegen diese
Klassifizierung aus, die einen plutokratischen Charakter
trage und dem Begriffe eines Volksbades widerspreche. In
der Tat ist es bedauerlich, daß jene drei Klaffen nach dem
Preise der Bäder, also nach dem Vermögen der Badenden,
eingerichtet werden sollen. Aus diese Weise kann es Vor-
kommen, daß ein Lump, der Geld hat, ein Bad erster Klaffe
nimmt, während ein unbemittelter Ehrenmann mit einem
Bade dritter Klaffe vorliebnehmen muß. Das geht nicht.
Die drei Klaffen müssen im Preise gleich sein und nach
einem ganz andern Maßstab bestimmt werden. Sie dürfen
nur von den entsprechenden Klaffen der Landtagsurwähler
und ihren Angehörigen benutzt werden.

Die Anstalt soll auch Hundebäder erster und zweiter
Klasse enthalten. Herr Zietzsch bekämpft auch diese Ein-
richtung mit Recht. Die Einteilung in zwei Klassen ist
geradezu lächerlich und widerspricht allen Grundsätzen des
Proletariats. Die Hunde dürfen nicht schlechter gestellt
werden als die Menschen, bloß weil sie zufälligerweise als
Hunde geboren sind. Auch sie müssen drei Klassen be-
kommen; da aber die Hunde bis jetzt das Landtagswahlrecht
noch nicht besitzen, so wird für sie eine andere Einteilung
gefunden werden müssen; und die ist doch sehr einfach. 2n
der ersten Klasse baden sprechende Hunde und Polizeihunde,
in der zweiten die anderen Hunde, für die eine Hundesteuer
gezahlt wird, und in der dritten die steuerfreien Köter.

Abendlied

Friede blieb's bei dem Trubel
Und Ruh;

Non alle dem Agadirjubel

Spürest Du

Kaum einen Hauch.

Es schweigt in dem Blätterwalde —

Tripolis, balde

Ruhest du auch! w.

Carusos Geheimnis

r. in. Caruso wird gegen sich selbst indiskret und enthüllt
der Welt das Geheimnis, er lasse durch Zeitungen ab und
zu die Nachricht verbreiten, seine Stimme habe gelitten, oder
gar, er sei in Gefahr, sie gänzlich zu verlieren. Das
habe dann den doppelten Erfolg, daß die Kritik seine
Leistungen besonders hoch einschätze und daß ferner die
Nachfrage nach Billetten außergewöhnlich groß sei, weil viele
seine Stimme vor deren Untergang nochmals hören wollten.

Das Geheimnis, die Erwartungen herabzuschrauben,
um den Erfolg zu steigern, ist so alt wie die Welt und
wiederholt sich tagtäglich, wenn auch meist nicht die Vor-
bereitungen in der marktschreierischen Weise Carusos aus-
posaunt werden. Manchmal vollzieht sich diese Vorbereitung
mit stillschweigender Selbstverständlichkeit. So jagt z. V.
Herr von Bethmann bei osfizieNen Gelegenheiten meist
gar nichts, und wenn er sich dann einmal nichtssagend
zeigt, so wundert sich alle Welt über seine Beredsamkeit und
über das, was er gesagt hat. Ähnlich verhält es sich mit
Herrn von Kiderlen in der Marokkofrage; man ist darauf
vorbereitet, daß bei den Kompensationen für uns wenig
oder nichts herauskommen wird; es würde sich also niemand
darüber wundern, wenn wir schließlich noch etwas heraus-
geben müßten. Rur bei Kraetke liegt die Sache anders,
weil der nie mehr gehalten als er versprochen hat; und
wenn es heute heißen würde, daß er beabsichtige, aus
seinem Amte zu scheiden, so würde das kein Mensch glauben.

Unverbürgtes aus Posen

Exzellenz Schwarzkopff hält unter den Klängen des
Liedes „Noch ist Polen nicht verloren!" seinen Einzug in
Posen. Er trinkt aus dem Schuh einer schönen Polin auf
das Reich des weißen Adlers und versucht sogar eine
polnische Ansprache, kommt aber nur wenig über das Wort
„Psiakrew" hinaus.

Am Oberpräsidium wird der Weiße Adler und der
polnische Falke (Sokol) angebracht.

Schwarzkopff konferiert mit Heydebreck über ein Gesetz
betreffend die Zwangsenteignung des hakatistischen Grund-
besitzes.

Er bereist den Landbezirk, um die polnische Wirtschaft
kennen zu lernen, über die er sich sehr befriedigt äußert.

Auf vielfachen Wunsch entschließt er sich, seinen Namen
in „Skwaczkopski" umzuändern, nachdem er sich mit dem
Fürstbischof Ko pp verständigt hat, der sich künftig „Kopski"
nennen will, während der Rektor Kopsch allerdings ein
gleiches Ansinnen ablehnt.

Schwarzkopff. Kopp und Kopsch werden daraufhin unter
Hardens „Köpfe" ausgenommen. (Fortsetzung folgt.)

Die schlaue Marianne

oder der unversöhnliche Gegensatz in den Verhandlungen
um die Gjsene Tür

„Sieh mal, lieber Michel, die Türe ist gerade weit
genug offen, aber — dein Kopp ist zu dicke!"
 
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