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Kladderadatsch: Kladderadatsch — 67.1914

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Hefte 18-21, Mai 1914
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Nr. 18

Zweites Beiblatt

Berlin,

den 3. Mai 1914

Kladderadatsch

Der Dr. jur.

Wie lieblich brennt die alte liebe Lampe,
Wenn man gemütlich ausruht abends spat!
Wie schmeckt das Bier, sowie der edle Mampe!
Wie hocherfreulich ist doch auch der Skat!

Da spricht man wohl, nachdem man durch-
gehechelt

Zunächst die große und die kleine Welt
Im lieben Vaterland, indem man lächelt,
Wie alles doch bei uns so wohlbestellt!

In Brandenburg da liebten ihn die Weiber,'
Es war sein Herz das reine Bienenhaus.
Im übrigen, er war ja doch ein Schreiber,
Schrieb er sich selber stets ein Zeugnis aus.

Wie so vortrefflich machte er im Ganzen
Das, was ihm oblag! Solches ward mir kund.
Wie eifrig war er! Nicht einmal beim Tanzen
Nahm die Zigarre er aus seinem Mund.

Daß man ihn nun entlarvt, das stimmt mich

trister.

Ein böser Zufall nur enthüllte ihn;
Vielleicht schon demnächst säße als Minister
Als Theos rechte Hand er in Berlin!

Wir haben viel gehört vom reinen Toren,
Dochinterefsiertder reineThormann mehr;
In Osterode wurde er geboren,

Es ist jetzt neunundzwanzig Jahre her.

Doch laß mich nochdieWahrheitniedergeußen:
Am Harz liegt dieses Osterode nicht,

Es liegt bei Kenigsbarch im Lande Preußen.
Man meint das Herz dort, wenn vom Harz

man spricht.

Ein Schneider war der Vater, hört' ich sagen,
Ein Schreiber ward dagegen schon der Sohn;
Der Alte tät die Beine unterschlagen,

Der Junge unterschlug die Kaution.

Wohl aufgehoben hat er manche Kassen,
Denn er betrieb die Sache mit System;

Er faßte leicht, doch war er nicht zu fassen;
Ein Landrat nannte ihn ein „Phänomen".

Nachdem in Schmargendorf er flott „studieret",
Versteht sich, immer bei sich selber nur,
Ging er nach Rixdorf, wo er ungenieret
Sich selbst verlieh den Titel Or. jur.

Glückselig sah in Schlus'ohrs Zaubergarten
Der reine Thormann nun die Stunden fliehn;
Viel holde Mägdlein sah man seiner warten,
Manch eine wartet heute noch auf ihn.

Auf, auf, mein Sang, und künde du die Märe,
Wie Heinrich Thormann zog inBromberg ein;
Er sprach zu sich: „Wenn ich nicht Thormann

wäre,

So möchte ich wohl Alexander sein!"

Flugs als Assessor Doktor Alexander
Erschien in Bromberg er mit frischem Mut.
Doch dieKöslinersprachen: „DieserMann.der
Jst's, der uns noch im Rathaus fehlen tut."

Laut priesen sie den hehren Geist der Geister,
Der ohne Apparat emporgediehn;

Und alsobald als würdiger Bürgermeister
Saß er in der berühmten Stadt Köslin.

Wie tät den hohen Herrn die Würde zieren,
Wie sprach er weise von Gesetz und Recht!
Von allem, was er hatte an „Papieren",
War nur der Steckbrief unabweisbar echt!

Nun aber ward manch biederer Affeffer
Durch diesen Fall bedeutend irritiert:

Er denkt: Gut ist's, zu ochsen, aber besser
Erscheint es mir, wofern man nicht studiert.

Selbst ist der Mann! Und wird vor Neid

auch gelber

So mancher Herr in Schaube und Talar:
Herr Heinrich Thormann machte alles selber
Er, der sogar sein eigner Onkel war!

Die heil'ge Ordnung prangt in großer Pose,
Und jeder sagt: „das hätt' ich nicht gedacht,
Brillant und Simili ist tonte meine

chose!

Wie haben wir's doch herrlich weit,
gebracht!" w.


Die Ireiheitsflalue

Vorm New Porter Hafen, aus dem Meere,
Ragt die Freiheitsftatue, die hehre.

Dieses sehr bekannte Monument

Kam aus Frankreich einst als ein Präsent.

Achtundzwanzig Jahre ist es alt,

Welche Zeit nicht spurlos abgeprallt.

Ja, New Pork sagt sich jetzt sehr bedenklich:
Unsre Freiheitsstatue ist kränklich;

Stark durchlöchert zeigt sich ihr Gewand,
Und sie hält wohl nicht mehr lange stand.
Läßt sie sich vielleicht noch reparieren?

Ooe>, soll man einfach sie kassieren?

Dies vernimmt man und ist drob verwundert.
Donnerwetter, meint man, manch Jahrhundert
Hielten sich doch andre Erzfiguren,

Warum hier die frühen Altersspuren?
Weshalb kommt die Freiheit mit der Fackel
In New Pork so bald schon in's Gewackel?
Sollte ihr am Ende, möcht' man fragen,

Es da drüben nicht so recht behagen?

Sollte man im schönen Land der Dollers,
Truste und des wilden Mammonkollers,

Sollte man es dorten nicht verstehn,

Mit der Freiheit richtig umzugehn?

s. p.
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