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An das Vaterland

Ich höre deine hohen Wälder rauschen
And deine Wogen donnern an den Strand —

Mit keinem fremden Volke möcht ich tauschen.

Denn ich bin stolz auf dich, mein Vaterland.

Ich durfte deine segenschweren Auen.

Die grünen Hügel, wo uns reift der Wein,

And die Verträumtheit deiner Städte schauen
An Donau, Tauber. Neckar, Rhein und Main.

Mir tönten deiner großen Männer Taten
And ihre Mamen hell wie lauteres Gold:

Die weite Erde grünt von ihren Saaten —

Dir. Deutschland, liebe Mutter, bin ich hold.

And doch: was warst du einst?! — Da strömt die Wunde.
O Land, das so viel Großes du gebarst,

Es schattet tief um dich die dunkle Stunde,

Du stürztest, und du bist nicht, was du warst.

Du, einst der Ordnung Hüterin und Sitte,

Du, heiliger Gebote Halt und Hort,

Die Schande hob das Haupt in unserer Mitte,

And durch die Gaffen schleicht sich ftech der Mord.

Sie träufelten dir ewiges Verderben.

Landftemden Irrwahns tötlich Gift ins Blut.

Ermanne endlich dich, du darfst nicht sterben!

Noch ist es Zeit, so sei denn auf der Hut!

Du stehst ihn dröhn, den ungeheuren Jammer,

And unaufhaltsam jagt der Stunden Lauf:

Schon hebt die zwölfte schwer den wuchtigen Hammer —
Noch ist es Zeit! Ermanne dich! Steh auf!

Mach Ende mit des Wahnsinns wüster Hetze!

Aus hohlen Augen grinst dich an der Tod.

Sei Hüterin der ewigen Gesetze:

Erwürge das Verbrechen, das dir droht!

Sei wieder du! Laß dir dich selbst nicht rauben!

Der Erde Schicksal ruht in deiner Hand. —

Bis daß ich sterbe, will ich an dich glauben.

Denn ich bin stolz auf dich, mein Vaterland!
 
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