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Zur Wahl!

Entsetzen trägst du im Gesicht:

,Was? Wieder mal ein Wahlgedicht?
Laßt mich doch endlich nur in Ruh —1
Du ahnungsvoller Engel du!

Nun fragst du, während du noch schmollst,
Wen du denn heute wählen sollst.

Das Ruder lenkt ein alter Held —

S o wähle, daß es ihm gefällt!

In Ruhe lasten wir dich nicht,
Verdunkelt Zorn auch dein Gesicht;

Und zuckst du auch in harter Qual,

Es hilft dir nichts! Du mußt zur Wahl!

Ihn hat das Deutsche Volk gekürt,
Das er so oft zum Sieg geführt.
Wo ist, der ihm das Wasser reicht?
Wo einer, der dem Helden gleicht?

Was tust du denn das ganze Jahr
Fürs Vaterland? Mir scheint es klar:
Ob auch sein Wohl dein hohes Ziel,

Du tust dafür nicht allzu viel.

Wir lernten manchmal auf ihn baun,

So sollst du ihm auch heut vertraun.

Nimm deine Waffe in die Hand —

Wo er steht, steht das Vaterland! «i-.dd»°d°i,ch.

Exempla docent

War ein Ministerpräsident,

Gar grimmig anzuschaun.

Den jedermann in Preußen kennt,

Der große Otto Braun.

Es war auch mal ein Volksbegehr,
Das diesem Herrn mißfiel so sehr,

Daß dem Beamten er befahl
Bei Strafe ein für alle Mal,

Sich fernzuhalten dem Skandal
And keineswegs bei diesem schlimmen
Begehren etwa mitzustimmen;

Sonst kam er vor das Tribunal.

Indessen sprach das Staatsgericht:

Mein, Otto Braun, das darfst du nicht.
Mur immer ruhig, immer still:

Bei uns zuland darf jeder denken
And fühlen, wie er mag und will,

And niemand darf ihn darum kränken.
Auch dann nicht, wenn er ungefragt
Ganz offen seine Meinung sagt.

Mun aber war Herr Otto Braun
In voller Glorie anzuschaun,

Da es im Landtag nicht saß ross
Auch nicht in Versen, nein, in Prosa
And ungereimt auch demgemäß
Entströmte seinem Denkgefäh:

»Wenn die Preußische Regierung es jedoch für zweckmäßig gehalten hätte. Beamte diszi-
plinarisch zu verfolgen, die sich lediglich durch Eintragung am Volksbegehren beteiligt haben,
dann hätte sie sich durch das Arteil deS StaatSgerichtShofeS keineswegs hindern lassen."')

Ach ja. es ändert sich die Zeit;

Zurück liegt dieses Wort schon weit,

Das große Wort voll tiefem Sinn,

Zwei Jahre reichlich gingen hin.

And nun — wie das so gehen kann! —
Mun rief Herr Braun, der große Mann.
Für sich den Staatsgerichtshof an.

Mich aber läßt die Frag nicht ruhn:
Was wird denn wohl der Papen tun?

'1 Ministerpräsident Braun im Landtag 5. 5. 30.

«ladduadallch.
 
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