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AM RANDE DES ALLTAGS

Der Preis

Gedankenspäne von Theodor Fontane
Ein Witz ist wie ein Musikstück; das Stück
bleibt dasselbe, aber alles hängt davon ab,

Wenn Kotzebue für seine Lustspiele einen
Dolchstoß empfangen mußte, wieviel Dolch-
stöße muß ein moderner Lustspieldichter
für die seinen empfangen?

Nichts ist verwerflicher, als völlig nutzlos
die heiteren Minuten auch nur um eine kür-
zen zu wollen.

Genialität, die tollt, ist herzerfrischend.
Genialität, die bloß quasselt, ist unange-

In nichts zeigt sich das Genie so sicher als
im kühnen Weglassen anscheinend unerläß-
licher Dinge.

Es sei nichts, ein Stück Leben aus dem Le-
ben herauszuschneiden, behaupten die, die’s
nicht können, und behandeln die Sache so
ziemlich nach der Analogie von Kattun und
Schere. Aber weit gefehlt. Es ist das
Schwierigste, was es gibt (und vielleicht
auch das Höchste), das Alltagsdasein in
eine Beleuchtung zu rücken, daß das, wäs
eben noch Gleichgültigkeit und Prosa war,
uns plötzlich mit dem bestrickendsten Zau-
ber der Poesie berührt.

Falsche Pietät ist Götzendienst.

Wer sich immer nur mit dem beschäftigt,
was auf fünf Schritt Distanz vor ihm liegt,
muß notwendig seines Weges verfehlen.

Erkennungsmarke

rung. Sie können eigne


Die zerbrochene Kaiserkrone
Einmal wurde im Wiener Burgtheater „Der
junge Aar" aufgeführt, ein Bühnenwerk,
in dem das Leben des Herzogs von Reich-
stadt behandelt wird. Im letzten Akt mußte
der Sarg des Sohnes Napoleons I., von einem
schwarzsamtenen Tuch überdeckt, auf die
Bühne gebracht werden. Der Regisseur,
dem der bloße Samt zu undekorativ er-
schienen war, hatte angeordnet, daß das
Sargtuch wenigstens mit den Initialen des
Napoleonabkömmlings geschmückt werde.
Der Requisitenmeister nickte und fragte;
„Alsdann, was soll i draufsticken lassen?“
Der Regisseur antwortete; „Die Kaiserkrone
und darunter N II.“

Vor der Vorstellung ließ sich der Regisseur
zum Glück noch einmal das gestickte Tuch
zeigen. Was darauf stand, hätte gerade bei
der ernstesten Szene eine Lachsalve des Pu-
blikums hervorgerufen, denn unter einer
schön gestickten Kaiserkrone stand das
Wort: Entzwei. k. t.

An unsere Pedanten!

„Ei geht jetzt allei auft Technische (heim Vers-
machen), und die Herren Kritiker fangen an zu
quängeln, ob in einem Reim ein s wieder auf ein
s komme und nicht auf ein ß. Wäre ich noch
jung und verwegen genug, so würde ich absicht-
lich gegen alle solche technischen Grillen versto-
ßen, ich würde Alliterationen, Assonanzen und
falsche Reime, alles gebrauchen, wie es mir käme
und bequem wäre; aber ich würde auf die Haupt-
sache losgehen und so gute Dinge zu sagen su-
chen, daß jeder gereizt werden sollte, es zu lesen

Das Wochenhemd

Als im französischen Konvent 1793 die Ka-
lenderreform erörtert wurde, erhob ein Ab-
geordneter Einspruch gegen die geplante
Umwandlung der Woche in eine Dekade mit
den Worten: „Seit Jahrhunderten ist es die
Gewohnheit des guten Bürgers, sich am
Ende der Woche ein frisches Hemd anzu-
ziehen. Es ist gegen das Menschenrecht,
einen Bürger zu zwingen, sein Hemd jetzt
zehn Tage zu tragen."

Doch man verstand damals keinen Spaß,
und so büßte der. Abgeordnete für seinen
humorvollen Einwurf mit dem Kopf. «. s.
Mikroskopische Unterwäsche
Als Ersatz für die ausgefallenen Rohseiden-
lieferungen aus Japan erzeugt eine Fabrik
in Kansas City eine Kunstseide, die angeb-
lich so fein ist, daß die gesamte Unter-
wäsche für eine Frau in einer Streichholz-
schachtel untergebracht werden kann.

Das dürfte wohl' mehr auf die Trägerin an-
kommen. Für die Revuegirls in USA. ist
schließlich zur Unterbringung ihrer Unter-
wäsche noch ein Medaillon zu groß. k.».
Der sehende Blinde

Der Philosoph Hans Vaihinger, einer der
besten Kant-Kenner und Begründer der
Kant-Gesellschaft, war erblindet. -Er be-
fand sich in einer großen Gesellschaft. Als
nun eine ihm fremde Dame sich vorüber-
gehend von der Gesellschaft entfernt hatte,
bemerkte der Philosoph: ..Diese Dame hat
doch wirklich sehr schöne Zähne.“

Über diese vollkommen begründete Bemer-
kung waren die Anwesenden erstaunt, und
der blinde Professor wurde gefragt, wie er
wissen könne, daß diese Dame schöne Zähne

Vaihinger lächelte: „Das ist doch sehr ein-
fach! Sie lachte nämlich bei jeder passen-
den und unpassenden Gelegenheit." k. r.

In Miami wird das Girl mit den schönsten Händen
gesucht. Es wird von den Obergangstern persönlich als
Taschendiebin ausgebildet werden. p. b.

Das unbekannte Tier

Nach den Aufnahmen zu einem Film kam
eine junge Anfängerin zu Hans Moser und
klagte: „Was soll ich bloß tun, Herr Moser,
der Regisseur hat gesagt, mein Spiel sei zu
kalt, und er hat mich eine Polargeiß ge-

Hans Moser überlegte: „Polargeiß? Polar-
geiß — ja, gibt’s denn dös aa?“ k. r.

Der Einspruch

Das junge und sehr hübsche Fräulein A.
verklagte den gleichfalls sehr hübschen
Zahnarzt B. wegen Beleidigung. Und zwar
auf Wunsch ihres Vaters, dem auf Umwegen
zur Kenntnis gekommen war, daß der Zahn-
arzt während der Behandlung seiner Toch-
ter einen Kuß gegeben hätte.

„Wie kamen Sie denn nur dazu?“ fragte der
Richter den Zahnarzt,

„Ich sollte dem Fräulein einen Zahn ziehen
und sie wollte partout nicht den Mund auf-
machen. Deshalb gab ich ihr einen Kuß und
vor Schrecken blieb ihr nun der Mund offen-

„Das ist nicht wahr!“, fuhr das Fräulein da-
zwischen, „nicht vor Schreck, sondern nur
vor Erstaunen, daß er mich nicht weiter-

Das Haifiscb-Tedeum

Hört ihr aus Meerestiefen ein Klingen!

Still, still! und horcht:
die Haifische singen!

Sie sind vor lauter Fressen und Morden
plötzlich musikalisch geworden.

Sie singen dem großen Fisdsgott zum Dank
den noch nie gehörten Haifisch-Gesang.

Ihre tückischen Fischräuberaugen
glotzen nach droben:

„Denn der Segen kommt von oben!"

Es regnet nur so Schiffe, Boote,

Fleisch, Schmalz und frische Brote,
prima Currysoßen

und dicke Konservendosen. £

Das schickt ihnen täglich

der Fischgott Kraaß

morgens, mittags, abends zum Fraß.

Dort oben ist donnernder Polterabend

Die Haie sind wach
und schlingen sich satt,,
sich gierig labend.

Viel tausend-Bruttoregistertonnen! »

Die Haie kreischen zum Dank ein Tedeum
halbnärrisch vor Fraß:

ist das ein Spaß!

Wir können nicht mehr,

Wir platzen vor Schmer!

Skol, prost, skol, Kraaß!

Kladderadatsch
 
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