Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Hannover. R. U. Sie übersenden uns „Zur
Auflösung der Komintern“ folgende Reime,
die wir unseren Lesern nicht vorenthalten
wollen, da sie sich auf jene Verwandlungs-
künstler beziehen, die wir aus eigener Er-
fahrung allzu genau kennen:

„Nu habach mir wegrasiert
de beikes, de Bart,
de Häär gefärbt, auffrisiert
nach arischer Art.

E Kaftan beschnitten,
gebügelt de Hos..
und doch erkennt mich der Goi
an meiner Nos!"

Eine Zeichnung dazu scheint uns überflüssig.
Landshut. P. D. In der Gauzeitung „Bay-
reuther Kurier“, Nr. 127, finden wir folgen-
de Anzeige: „Wer erteilt Unterricht in

Französisch für Anfängerin und Schreibma-
schine?“.

Wer wird schneller lernen — das Fräulein oder
die Schreibmaschine?

Kassel. Dr. W. Sie schicken uns „zum Glos-
sieren“ eine Anzeige aus der „D. A. Z.“ vom
9. 5. 43, in der es heißt: „Für führende
Persönlichkeit der Maschinenindustrie wird
gewandte junge Dame, perfekt in Steno-
graphie und Schreibmaschine, mit besten
Umgangsformen, als Direktions-Sekretärin
zu mögl. baldigem Eintritt gesucht. Arbeits-
stätte Nähe Knie.“

Da Sie die. letzten drei Worte unterstrichen
haben, müssen wir annehmen, daß durch diese
äJBÜfntasie auf Irrwege geführt worden ist.
Knie hiflßt nämlich ein Platz in Charlottenburg,
an dem\lie Berliner Straße, die Fortsetzung der
von XDst rtfch West durch den Tiergarten führen-
den herrlichen Charlottenburger Chaussee, eine
knieartige Biegung nach Nordwesten macht.
Offenbar kennen Sie nicht den Berliner Gassen-

„ZuCharlottenburg am Knie

Und als ich sie am Knie gesch'n,
da waPs um mich gescheh’n."
Landsweiler-Reden. Dr. S. Sch. 8>s senden
uns einen Ausschnitt aus einem westmärki-
schen Blatte, in dem es heißt: „Der eng-
lische Gesandtschaftsdienst in Stockholm
verbreitet einen Artikel des bekannten Lon-
doner Kommentators Ewer gegen Argen-
tinien und Schweden, der den beiden neu-
tralen Ländern gleichermaßen droht, weil
sie bisher den kriegstreiberischen Forde-
rungen der plutokritisch-sowjetischen Liga
nicht gefolgt sind.“

Endlich scheint sich für die Feindseite eine neue
geistige Entwicklung anzubahnen: diese „pluto-
kritisch-sowjetische Liga“ wäre immerhin ein
Versuch, die verlogene Verbindung der Pluto-
kracie mit den Sowjets unter die Lupe der
Selbstkritik zu nehmen. Aber was sagen die
Judokraten auf beiden Seiten dazu? — Wir
stimmen Ihnen itri Hinblick auf diesen Faktor
zu, wenn Sie zu dem fraglichen Satz bemerken:
„Kein Wunder, daß sie nicht folgen, die Neu-
tralen, wo es mit der Liga so kritisch steht ..."

IM GRASE

Bäuchlings geduckt auf die wollene Decke
lieg ich im Gras. Und die Wiese wird groß,
groß wie ein Meer, daß ich freudig erschrecke.
Neben mir schrumpfen Häuser und Hecke:
meine Decke wird plötzlich zum Floß.

Lustig treib ich im grünen Gewimmel
spielender Gräser auf luftiger See,
selig gewiegt zwischen Kerbel und Kümmel.
Hell durch die Halme leuchtet der Himmel,
glitzert wie Gischt der weißköpfige Klee.

Aber schon klettern eifrige-Scharen
winziger Gäste zu mir an Bord:

Ameis und Heuschreck in Händen und Haar
kommen verwundert mit mir gefahren.
Blühender Sommerwind führt uns mit fort.

Bonn. H. B. („uralter Leser und Abonnent“).
Im „Westdeutschen Beobachter“ vom 23. Juni
1943 (Nr. 167) haben Sie einen Hinweis ge-
funden auf einen Gedächtnisvortrag für An-
dreas Vesalius, dessen vor 400 Jahren er-
schienenes Werk über den Bau des mensch-
lichen Körpers als Beginn einer naturwissen-
schaftlich forschenden Medizin bezeichnet
wird. „Andreas Vesalius“, so heißt es, „führte
damit den wichtigsten Wendepunkt in der
Entwickelung der abendlichen Heilkunde her-
bei; er durchbrach die mittelalterliche Ge-
bundenheit an antike und arabische Vorbil-
der und stellte den gläubig immer wiederhol-
ten Lehren der alten Ärzte die eigene Beob-
achtung entgegen.“

Ehrlich gestanden — es geht uns wie Ihnen: es
war uns bisher nicht bekannt, daß die Heil-
kunde nach den verschiedenen T ageszeiten
spezialisiert ist oder war.

Feldpost. Oberfeldarzt Dr. K. Sie lesen im
Paul-Warncke-Gedächtnis-Artikel des „Klad-
deradatsch“: „Schon als Jüngling wurde
sein Bismarck-Gedicht preisgekrönt", und
möchten nun wissen, was mit dem Gedicht
geschehen ist, als es ein Mann, und später
ein Jubelgreis geworden war. —

Das können wir Ihnen ganz genau sagen: Be-
reits als Mann hatte es sich mit dem Vorkom-
men von Druckfehlern abgefunden, und als
Jubelgreis erwartete es sogar von einem richtigen
Leser, daß er willens und imstande sei, das im
Drück versehentlich fehlende „ihm" ohne An-
leitung zu ergänzen und also zu Jesen: „Schon
als Jüngling wurde ihm sein Bismarck-Gedicht
preisgekrönt."

Berlin. L. S. Sie senden uns ein Kalender-
blatt mit dem Spruch: „Alles verstehen,heißt
alles begreifen.“

Sehr treffend gesagt und wunderschön, meinen
Sie, nur — wePs nicht begreift, wird’s nicht
verstehnI — Ja, hier gilt eben der Spruch;
„Alles verstehen, heißt alles verzeihen."

DER RABE

Ein Rabe sitzt auf einem Stein . >.

Er denkt, er denkt: Ihm fällt nichts ein.
Er denkt: Das Denken ist ’ne Last
und schwingt sich auf den nächsten Ast.
Dort sitzt er wie in Schlaf versenkt,
weil er die Last des Denkens .. .denkt. —.

DAS LETZTE WORT

Aus „Gottes eigenem Land" erfährt man
immer wieder etwas Überraschendes. So be-
lehrt uns neuerdings eine New-Yorker Mel-
dung über den Zusammenhang von Benzin-
zuteilung und Moral. „Das ist doch nichts
Überraschendes!“ wird mancher Leser vor-
schnell einwerfen, „über die unmoralischen
Wochenend-Auto-Ausflüge der amerikani-
schen Jugend ist ja seit Jahren schon viel
und vieles geschrieben worden!“

Aber dieser Einwand verfängt nicht. Denn
der Zusammenhang von Benzinzuteilung und.
Moral, der da behauptet wird, soll positiver

„New York Herald Tribüne“ zufolge hat eine
amerikanische Religionsgemeinschaft die Er-
klärung abgegeben,' daß die augenblickliche
Zunahme der Verbrechen Jugendlicher und
der Kriminalität überhaupt in Amerika dar-
auf zurückzuführen sei, daß viele Familien
infolge unvernünftiger Benzinrationierung
nicht in der Lage seien, die Gottesdienste
zu besuchen.

„So bunt ist die Welt“, kann man dazu nur
sagen. In England ist die Zunahme der Kri-
minalität zweifellos nicht zuletzt darauf zu-
rückzuführen, daß in Canterbury und York
oder anderswo die Bischöfe in ihren „Gottes-
diensten" den Mord an Frauen und Kindern
predigen, und das amerikanische Verbrechen
der Kriegsanstiftung hängt auf das engste
mit dem Besuch von „Gottesdiensten“ in der
Synagoge zusammen. Nur die hier zitierte
Religionsgemeinschaft propagiert die Auf-
fassung, ihre Gottesdienste machten da eine
Ausnahme. — Mag sein! Aber dann sind sie
augenscheinlich auch vor dem Kriege nur
sehr kümmerlich besucht gewesen, und ha-
ben keinen nachhaltigen Eindruck hinter-
lassen.

Mit der Benzinzuteilung hängt ihre mangeln-
de Wirksamkeit jedenfalls nicht zusammen,
wenn auch ohne weiteres zugestanden wer-
den soll, daß in Zeiten des Treibstoffüber-
flusses alljährlich zahlreiche Amerikaner
infolge leichtsinniger Autofahrten in Re-
kordzeit die „ewigen Jagdgründe“ aufge-
sucht haben. Mit Religion hätte das aber nur
dann Zusammenhang, wenn man den Grund-
satz „time is money“ als einen Moral-
grundsatz ansehen will. Wir glauben eher,
daß weniger die mangelnde kirchliche Un-
terweisung als vielmehr das lebendige Bei-
spiel der Regierung Roosevelts die ver-
brecherischen Instinkte der Leute in den
USA. geweckt hat


Kladderadatsch
 
Annotationen