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MATHIAS WIEMANN

muß jede Betrachtung seines Wirkens
und Wollen» ausgehen — eine der am
stärksten ausgeprägten Persönlich-
keiten dps deutschen Kunstlebcns.

Er ist ein Künstler, der es sich schwer
macht und der deshalb auch Ansprüche
stellen kann an sein Publikum. „Sein"
Publikum — ja, wo ist das eigentlich?
— Man wird es nur schwer unter einen
Hut bringen können, denn gar zu man-
nigfaltig sind die Mittel, durch die
Wiemann für das Große und Echte in
Wort- und Bühnenkunst wirbt und
wirkt. So hat man sich seine Hörer
vorzustellen als dankbar aus dem
„Schatzkästlein“ des Rundfunks Be-
schenkte. man muß zu ihnen die Kin-
der rechnen, denen er so gern und gut
die lieben, alten deutschen Märchen
vorliest. Man muß sein Publikum un-
ter den Arbeitern suchen, die in der
Volksbühne manche großartige Men-
schengestalt durch ihn verkörpert

Und doch ist Mathias Wiemann bei all
seiner vielfältigen Wirksamkeit doch
immer ein Einzelgänger geblieben. Er
paßt so gar nicht in irgendeine Art
von „Betrieb“, er paßt so gar nicht in
irgendeine Schablone.

Darum hat er auch die Gefahr des
Tonfilms klug gemieden, der so leicht
aus einem Charakterdarsteller eine
private Type macht. Er hat immer nur
besondere Aufgaben gemeistert, wenn
er auf der tönenden Leinwand zu
sehen war. Aber was er in diesen Rol-
len gab, das war etwas Gültiges, Haf-
tendes, Bleibendes.

Muß man betonen, daß die allem wahr-
haft Menschlichen weit aufgeschlos-
sene Persönlichkeit Wiemanns auch
ihr eigenes, besonderes Verhältnis
zum Humor hat? Als Sprecher und
Mittler deutscher Dichtung hat er das
schon oft bewiesen, im Theater und
Film fand er erst vor kurzem den Weg
zur Komödie. Wer es noch nicht getan
hat, der sehe sich schleunigst seinen
Film an: „Man rede mir nicht von
Liebe!“, der vor kurzem angelaufen
ist. Er wird seine helle Freude haben
an diesem Mathias Wiemann. r. s.

DEMOKRATISCHES ALLERLEI

„So doll ist die Welt könnte John Bull mit
Josef Wincklers tollem Bömberg sagen. „So
doll ist die Welt.“ Da gibt man sich jahre-
lang die größte Mühe, als idealistischer
Kämpfer für Freiheit, Gerechtigkeit und
andere wohlklingende Begriffe angesehen zu
werden, da ärgert man sich ohnehin schon
grün und gelb über die bösen Nazis, die da-
für sorgen, daß einem die Welt hinter den
Schwindel kommt, aber nicht genug damit:
nun wird man auch noch von seinen liebsten,
besten Herzensfreunden, den Yankees, ange-
schwärzt! Als Heiratsschwindler wird man
hingestellt in einem Artikel unter der Über-
schrift: „Armer Mann wirbt um reiches
Mädchen.“ Der arme Mann, blaublütig, aber
vertrottelt, ist England. Die reiche Erbin ist
Amerika. Der arme Mann umwirbt sie heiß,
aber vergeblich: sie behält ihre Milliarden
für sich. — Ist das nicht eine Gemeinheit!
Und dann überhaupt: wie kommt Amerika
dazu, sich als „reiche Erbin“ zu bezeichnen?
Amerika ist Uncle Sam oder Vetter Jonathan
— auf alle Fälle ein alter Krauter. Britannia
hingegen, Britannia ist eine „sie", um deren
Freundschaft sich ehedem alle Welt gerade-
so könnte John Bull lamentieren, müßte
aber auf die Antwort gefaßt sein, daß wie
alle Juden so auch die von Wallstreet füFs
Gewesene nichts geben. Und wie stark John
Bull bereits unter dem Krieg gelitten habe,
beweise die Tatsache, daß er offenbar schon
nicht mehr wisse, ob er Männchen oder Weib-
chen ist. — Uns fesselt dieser Pressedisput
zwischen England und Nordamerika nicht
aus politischen Gründen. Denn das Schick-
sal des Empire hat sich so oder so erfüllt
Uns interessiert eigentlich mehr die fünfte
der „Vier Freiheiten“, die Freiheit nämlich,
unhöflich zu werden, wo man keinen Rebbach
mehr zu erwarten hat. Von dieser Freiheit
wird in den USA. ganz ausgiebig Gebrauch
gemacht. Durch die „Berichte mit Zucker-
guß“, deren Abschaffung kürzlich der Re-
klamechef der USA.-.Regierung, Eimer Da-
vis, einem Senator öffentlich versprechen
mußte, in allzu große Sicherheit über den
Kriegsausgang gewiegt, werden die Yankees
wieder grob gegen diejenigen, um deren
Hilfe sie bisher eifrig warben, gegen die
Neger. Schon ist es wieder soweit, daß ein
Schwarzer zwar Offizier der amerikanischen
Armee werden kann, aber keineswegs unbe-
lästigt in den New-Yorker Autobussen sitzen
darf. Man ist jetzt so intensiv damit be-
schäftigt, die Vier Freiheiten draußen zu
verkünden, daß man sie bei sich zu Hause
nicht anwenden kann. So wurde in Gottes
eigenem Land — einem Bericht der Wochen-
schrift „News Republic“ zufolge — ein far-
biger Offizier aus dem fahrenden Autobus
geworfen, weil er mit halbem Körper in dem
für Weiße reservierten Abteil saß. Befreit
von der Furcht, sich das Genick zu brechen,
lag er auf dem Asphalt. Da schlich von hin-
ten ein Policeman heran, schlug ihm mit
dem Totschläger eins auf den Schädel und
jagte ihm ein paar Revolverkugeln in den
Leib. Der Neger machte daraufhin von der
Freiheit Gebrauch,'ohne Fahrkarte ins Jen-
seits abzureisen. Skeptiker werden nun viel-
leicht auf den Gedanken kommen, diese Vier
Freiheiten existierten gar nicht. Da denken
sie aber falsch. Die Vier Freiheiten sollen
sogar porträtiert werden. Wenigstens schlie-
ßen wir das aus einer Rede des USA.-Sena-
tors Lodge, in der es heißt, der Redner halte
es für unklug, auf die Rückseite der in Sizi-
lien ausgegebenen Banknoten das Bild der
Vier Freiheiten zu drucken. — Der Senator
hätte besser gesagt „für zwecklos“, denn die

erste in Sizilien eingefuhrte Freiheit war die
Freiheit vom Gelde. Die Besatzungsbehörden
haben einen Zwangskurs für den Dollar ein-
geführt, der fünfmal so hoch ist wie der bis-
her in London notierte, und der eine glatte
und einfache Ausplünderung der Bevölke-
rung darstellt. Nach dieser ersten Erfahrung
dürften die Sizilianer auf die andern drei
Freiheiten nicht allzu neugierig sein.

Der „Kladderadatsch“ hatte vor .längerer
Zeit wieder einmal behauptet, eine — und
zwar die wesentlichste — der Vier Freiheiten
der Plutokraten sei die Freiheit von Kultur.
Dieser Behauptung tritt nun die Verwaltung
der Londoner National Gallery dadurch ent-
gegen, daß sie voller Stolz verkündet, die
Besucherzahl sei gegenüber den Vorkriegs-
jahren um ein Mehrfaches gestiegen. Dieser
Zustrom zu den Räumen der National Gal-
lery ist freilich nicht auf Bildungshunger
zurückzuführen, sondern auf Hunger schlecht-
hin. In dem genannten „Kulturinstitut“ ist
nämlich eine Kantine eingerichtet worden.
Diese — nicht der Drang, die aus aller Welt
zusammengestohlenen Kunstwerke zu be-
sichtigen — hat die Tommies angelockt.
Und wie sich im übrigen die britische Labour
Party die Einführung der Vier Freiheiten in
England vorstellt, geht aus einer Untefhaus-
Rede ihres Ministers Greenwood hervor, der
ganz bescheiden bat, man möge doch die
Bergarbeiter nicht mehr wie Hunde behan-
deln, sondern sie als immerhin zur mensch-
lichen Gesellschaft gehörig betrachten.
Diese Mahnung hatte insofern einen Teil-
erfolg, als ein leibhaftiger Admiral, Sir
E. Evans, sich herbeiließ, vor Arbeitern in
Edmonton eine Ansprache über kulturelle
Angelegenheiten zu halten. Sie gipfelte in
einem wahrhaft monumentalen Satz, der als
Spur von seinen, des Admirals, Erdentagen
nicht in Aeonen untergehen wird: „Nur drei
gute Dinge sind aus Deutschland gekommen,
und zwar deutsche Musik, deutsche Wurst
und Marlene Dietrich!“ —

Wir fürchten, daß sich Admiral Evans da
hat irreführen lassen, denn weder der Tann-
häuser-Blues, noch der Parzivalglockenfox-
trott stammen von Richard Wagner, die als
„hot dogs“ verkauften Frankfurter Würst-
chen stammen gar nicht aus Frankfurt, uyd
die Frankfurter, die nach England und Ame-
rika importiert wurden, sind ungenießbare
Jüden. Lediglich mit Marlene Dietrich hat
er recht, denn die ist sogar uns in Deutsch-
land völlig wurst!

KRÄHENGESCHREI

aber in Zweigen schon kahl,
darüber im Himmelsraume
Krähen, drei an der Zahl.

Die eine krächzte: „Ich hetzte
Sturm, der das Laubwerk löst,
und harre nun, bis er die letzte
Birne vom Baume stößt."

Die andere krächzte: „Ich lockte
rauschenden Regen herab,
der frißt an der Frucht, die gestockte,
störrisch noch, fällt sie doch ab."

Die dritte krächzte: „Der Nebel
nagt sich hinein in den Kern,
macht müde und matt, wie ein Knebel
stickt er, so stirbt sie gar gern."

Doch ich, ein dreimal weiser
Mensch mit Humor, ich brach
die Birnen mir. „Abjalherspeiscr
kreischten die Krähen mir nach.

Kladderadatsch
 
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